05 - Der Kardinal im Kreml
ist das für eine Anlage, und wo liegt sie?»
«Sie liegt nur rund hundert Kilometer von der afghanischen Grenze entfernt. Ich kann sie Ihnen auf der Karte zeigen. Wie lange wollen Sie in Pakistan bleiben?»
«Eine Woche vielleicht», erwiderte der Bogenschütze.
«Ich muß meinen Vorgesetzten Meldung machen; vielleicht will man Sie sprechen. Mein Freund, Sie werden hoch belohnt werden. Schreiben Sie einen Wunschzettel. Er darf ruhig lang sein.»
«Und der Russe?»
«Mit dem reden wir auch - sofern er überlebt.»
Der Kurier ging den Lasowski Perulok entlang, wartete auf seinen Kontakt. Er war optimistisch und deprimiert zugleich. Er glaubte dem Vernehmungsbeamten und hatte am Nachmittag an der richtigen Stelle das entsprechende Kreidezeichen angebracht - zwar fünf Stunden später als erwartet, aber er hoffte, daß sein Führer das den Vorsichtsmaßnahmen zuschreiben würde. Das richtige Zeichen, das dem CIA-Offizier sagte, daß er «umgedreht» worden war, hatte er nicht anzubringen gewagt. Dafür war das Spiel inzwischen zu gefährlich geworden. So schlenderte er über die öden Bürgersteige und wartete auf den Geheimtreff.
Er konnte nicht ahnen, daß sein Führungsoffizier in seinem Büro in der US-Botschaft saß und diese Gegend von Moskau für mehrere Wochen zu meiden beabsichtigte. Man hatte auch nicht vor, in diesem Zeitraum Kontakt mit dem Kurier aufzunehmen. Die Kette zu KARDINAL war gebrochen. Was die CIA anging, hatte sie nie existiert.
«Das scheint mir Zeitverschwendung zu sein», sagte der Vernehmungsoffizier. Er saß mit einem anderen hohen Offizier des Zweiten Direktorats am Fenster einer Wohnung. Ein Fenster weiter stand ein anderer «Zweier» mit einer Kamera. Er und der andere hohe Offizier hatten an diesem Vormittag erfahren, worum es bei Heller Stern ging, und der General, der das Zweite Direktorat befehligte, hatte diesem Fall höchste Priorität gegeben. Das klapprige alte Schlachtroß von den «Einsern» hatte einen kolossalen Spionagefall entdeckt.
«Meinen Sie, daß er Sie angelogen hat?»
«Nein. Sein Widerstand war leicht zu brechen -, aber auch nicht zu leicht», sagte der Vernehmungsbeamte mit Zuversicht. «Ich glaube eher, daß wir ihn nicht rasch genug zurück auf die Straße geschickt haben. Die Gegenseite weiß wohl Bescheid und hat die Kette unterbrochen.»
«Was ging schief? Die Gegenseite muß doch glauben, die Festnahme könnte auch eine Routinesache gewesen sein.»
Der Vernehmungsbeamte nickte zustimmend. «Wir wissen aber auch, daß diese Informationen höchst sensitiv sind; man muß also zu ihrem Schutz außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen haben. Auf die einfache Art kommen wir nun leider nicht mehr weiter.»
«Nehmen wir ihn also fest?»
«Ja.» Ein Wagen hielt neben dem Kurier. Sie warteten, bis er eingestiegen war, und gingen dann zu ihrem eigenen Fahrzeug.
Dreißig Minuten später waren sie alle wieder im Lefortowo-Gefängnis. Der Vernehmungsbeamte zog eine bekümmerte Miene.
«Warum habe ich den Eindruck, daß Sie mich belogen haben?» fragte er den Kurier.
«Aber ich habe die Wahrheit gesagt und alles getan, was Sie mir sagten!»
«Und das Signal, das Sie hinterließen? Gab es der anderen Seite zu verstehen, daß wir Sie erwischt haben?»
« Nein!» Der Kurier geriet nun fast in Panik. «Das habe ich Ihnen doch alles erklärt.»
«Das Problem ist nur, daß wir ein Kreidezeichen nicht vom anderen unterscheiden können. Wenn Sie schlau sind, haben Sie uns getäuscht.» Der Vernehmungsbeamte beugte sich vor. «Genosse, Sie können uns hinters Licht führen, aber nicht für lange.» Er legte eine Pause ein, um diesen Satz im Raum stehenzulassen. «Gut, fangen wir von vorne an», meinte er schließlich. «Wer ist die Frau, die Sie in der U-Bahn treffen?»
«Ihren Namen kenne ich nicht. Sie ist über dreißig, sieht aber jung aus für ihr Alter. Blond, schlank, hübsch. Immer gut gekleidet, wie eine Ausländerin, obwohl sie keine ist.»
«Gekleidet wie eine Ausländerin? Was meinen Sie damit?»
«Sie trägt gewöhnlich einen Mantel aus dem Westen. Das merkt man an Stoff und Schnitt. Sie sieht gut aus, wie ich sagte, und sie -»
«Weiter», sagte der Vernehmungsbeamte
«Unser Zeichen ist, daß ich ihr ans Gesäß fasse. Das scheint sie zu mögen, denn manchmal übt sie Gegendruck aus.»
Von so etwas hatte der Vernehmungsbeamte bisher nicht gehört, aber er erkannte sofort, daß es die Wahrheit war. Solche Details erfand niemand, und sie paßten auch zum Profil der
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