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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Anstrengung dauerte eine Ewigkeit. Befriedigend dabei war nur, daß ihre unsichtbaren Glieder nicht ermüdeten. Swetlana verdrängte ihre Bedenken und ergötzte sich an der Freiheit und der Tatsache, daß sie den Raum um sich herum nun sehen konnte. Nun schwamm sie schneller. Sie bildete sich ein, der Raum vor ihr sei heller als der hinter ihr. Wenn es da vorne ein Licht gab, würde sie es finden, und ein Licht machte einen Riesenunterschied. Schwach entsann sie sich der Freude, die sie als Kind beim Schwimmen empfunden hatte. Sie war die beste Taucherin der Schule gewesen, hatte viel länger als alle anderen die Luft anhalten können. Sie lächelte verzückt und ignorierte die Warnungen der letzten Reste ihres Intellekts.
    Ihr war, als schwämme sie tage-, wochenlang, immer auf die Helligkeit zu. Erst nach Tagen erkannte sie, daß der Raum vor ihr nie heller wurde, doch um diese letzte Warnung ihres Bewußten kümmerte sie sich nicht. Sie strengte sich beim Schwimmen mehr an und empfand zum ersten Mal Müdigkeit, die sie ignorierte. Swetlana Wanejewa mußte die Freiheit zu ihrem Vorteil nutzen, erkennen, wo sie sich befand oder, besser noch, einen Weg aus diesem gräßlichen Zustand finden.
    Wieder löste sich ihr Geist von ihrem Körper, und als er hoch genug geschwebt war, schaute er hinab auf die ferne, treibende Gestalt. Selbst aus dieser großen Höhe waren die Ränder dieser weiten, amorphen Welt nicht zu erkennen, doch die winzige Figur unter sich konnte sie sehen, wie sie allein durchs Leere schwamm, vergeblich zappelte, dem Nichts zustrebte...
Als der Schrei aus dem Wandlautsprecher gellte, wäre Watutin fast vom Stuhl gesprungen. Das war grauenhaft. Er hatte Hinrichtungen miterlebt, Folterungen, Schreie der Qual und der Wut und der Verzweiflung gehört, aber noch nie den Schrei einer Seele aus einer Verdammnis schlimmer als die Hölle.
    «Ah... das sollte der Beginn der dritten Phase sein.»
«Wie bitte?»
«Sehen Sie», erklärte der Arzt, «der Mensch ist ein geselliges Tier.
    Unser sensorischer Apparat ist auf das Sammeln von Daten eingerichtet, die uns in die Lage versetzen, auf unsere Umwelt und unsere Mitmenschen zu reagieren. Eliminiert man alle menschliche Gesellschaft und alle Sinneseindrücke, ist die Psyche völlig allein mit sich selbst. Zahllose Beispiele demonstrieren, was dann passiert. Diese Idioten aus dem Westen zum Beispiel, die allein die Welt umsegeln. Eine überraschende Anzahl wird verrückt, und viele verschwinden einfach; vermutlich Selbstmord. Selbst jene, die überleben, jene, die täglich ihr Funkgerät benutzen, brauchen Ärzte, die sie vor den psychologischen Risiken solcher Einsamkeit warnen. Und die können das Wasser um sich herum wenigstens noch sehen. Sie sehen ihre Boote, spüren die Wellen. Wenn man das nun alles eliminiert...» Der Arzt schüttelte den Kopf. «Länger als drei Tage hält das kein Mensch aus. Und wir nehmen den Versuchspersonen hier alles, wie Sie sehen.»
    «Was war die Rekordzeit im Tank?»
«Achtzehn Stunden - das war ein Freiwilliger, ein junger Außenagent vom Ersten Direktorat. Der Unterschied hier ist nur, daß unsere Person nicht wissen kann, was mit ihr geschieht. Das modifiziert den Effekt.»
Watutin holte Luft. «Und wie lange wird es bei dieser Person hier dauern?»
Der Arzt schaute nur auf die Uhr und lächelte. Watutin hätte ihn am liebsten gehaßt, mußte aber zugestehen, daß dieser Arzt nur tat, was er selbst seit Jahren getrieben hatte - nur rascher und ohne sichtbare Verletzungen, die den Staat bei den öffentlichen Gerichtsverhandlungen, die das KGB nun zu ertragen hatte, blamieren konnten.
    «So... und was passiert in der dritten Phase?»
Swetlana sah sie um sich herumschwimmen. Sie wollte ihren Körper warnen, aber das hätte die Rückkehr in ihn bedeutet, die sie nicht wagte. Genau konnte sie sie eigentlich nicht erkennen, aber da waren Schemen, die sie wie Raubfische umkreisten. Einer kam an sie heran, wandte sich aber wieder ab. Dann kehrte er zurück. Sie versuchte sich zu wehren, aber etwas zog sie in ihren Körper zurück, erreichte ihn gerade noch rechtzeitig. Als sie ihren Gliedern befahl, schneller zu schwimmen, kam es von hinten. Das Maul ging auf, schloß sich um ihren ganzen Körper. Das letzte, was sie sah, war das Licht, auf das sie zugeschwommen war - das Licht, das, wie sie endlich erkannte, nie existiert hatte. Sie wußte, daß ihr Protest umsonst war, aber er kam ihr wie eine Explosion von den Lippen.
»Nein!»

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