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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Lager morgen abgebrochen wird, und daß alle Krieger dir nach dem Versammlungsort der Utahs folgen werden; die Frauen und Kinder aber gehen zu den Alten in die Berge. Ist das wahr?“
    „Ja.“
    „Nun, so ist auch das andre wahr, was wir hörten. Wir sind fest überzeugt, daß ihr uns nach dem Leben getrachtet habt. Welche Strafe werdet ihr wohl dafür erhalten?“
    Der Rote antwortete nicht.
    „Wir hatten euch nichts getan, und ihr nahmt uns mit, um uns zu töten. Jetzt habt ihr uns das Leben nehmen wollen; ihr hättet also mehr verdient als nur den Tod. Aber wir sind Christen. Wir wollen euch vergeben. Ihr sollt eure Freiheit und eure Waffen zurückerhalten, und dafür müßt ihr uns versprechen, daß keinem von uns, die wir hier sitzen, jemals von euch ein Haar gekrümmt werde.“
    „Spricht das deine Zunge oder dein Herz?“ fragte der Häuptling, indem er einen ungläubig forschenden, scharf stechenden Blick auf Old Shatterhand warf.
    „Meine Zunge hat niemals andre Worte als mein Herz. Bist du bereit, mir das Versprechen zu geben?“
    „Ja.“
    „Daß wir alle, welche wir uns hier befinden, rote und weiße Männer, von heute an Brüder sind?“
    „Ja.“
    „Die einander beistehen wollen und müssen in jeder Not und in jeder Gefahr?“
    „Ja.“
    „Und du bist bereit, das mit der Pfeife des Friedens zu beschwören?“
    „Ich bin bereit.“
    Er antwortete schnell und ohne alles Besinnen; dies ließ darauf schließen, daß es ihm ernst mit seinem Versprechen war. Der Ausdruck seines Gesichtes ließ sich infolge der dick aufgetragenen Farbe nicht bestimmen.
    „So mag die Pfeife reihum gehen“, fuhr Old Shatterhand fort. „Ich werde dir die Worte vorsagen, welche du nachzusprechen hast.“
    „Sage sie, und ich werde sie wiederholen!“
    Diese Bereitwilligkeit schien ein gutes Zeichen zu sein, und der wohlmeinende Jäger freute sich von Herzen darüber, konnte aber nicht umhin, noch eine Warnung auszusprechen: „Ich hoffen, daß du es dieses Mal ehrlich meinst. Ich bin stets ein Freund der roten Männer gewesen; ich berücksichtige, daß die Utahs jetzt angegriffen worden sind. Wäre das nicht der Fall, so würdet ihr jetzt nicht so wohlfeilen Kaufes davonkommen. Erweisest du dich aber nochmals als treulos, so bezahlst du es mit dem Leben. Das versichere ich dir, und ich halte Wort!“
    Der Häuptling blickte vor sich nieder, ohne den Blick zu dem Sprechenden zu erheben. Dieser nahm sein Calumet vom Hals, an welchem er es hängen hatte, und stopfte es. Nachdem er es in Brand gesteckt hatte, löste er die Fesseln des Häuptlings. Dieser mußte sich erheben, den Rauch nach den bekannten sechs Richtungen blasen und dabei sprechen: „Ich bin der ‚Große Wolf‘, der Häuptling der Yampa-Utahs; ich spreche für mich und diese meine Krieger, welche sich bei mir befinden. Ich rede zu den Bleichgesichtern, welche ich sehe, zu Old Firehand, Old Shatterhand und allen andern, auch zu Winnetou, dem berühmten Häuptling der Apachen. Alle diese Krieger und weißen Männer sind unsere Freunde und Brüder. Sie sollen sein wie wir, und wir wollen sein wie sie. Es soll ihnen niemals von uns ein Leid geschehen, und wir werden lieber sterben als zugeben, daß sie uns für ihre Feinde halten! Das ist mein Schwur. Ich habe gesprochen. Howgh!“
    Er setzte sich wieder nieder. Nun wurden auch die andern von ihren Fesseln befreit, und die Pfeife ging von Mund zu Mund, bis alle geraucht hatten. Selbst die kleine Ellen Butler mußte ihre sechs Züge tun; man durfte um ihrer selbst willen keine Ausnahme machen.
    Darauf erhielten die Roten auch ihre ganzen Waffen wieder. Das war kein Wagnis, wenn man ihrem Schwur trauen konnte. Dennoch aber verhielten sich die Weißen so vorsichtig wie möglich, und jeder von ihnen hatte die Hand in der Nähe seines Revolvers. Der Häuptling holte sein Pferd herbei und fragte dann Old Shatterhand: „Mein Bruder hat uns die Freiheit vollständig zurückgegeben?“
    „Vollständig.“
    „So dürfen wir fortreiten?“
    „Ja, wohin ihr wollt.“
    „Wir werden nach unserm Lager zurückkehren.“
    „Ach! Ihr wolltet ja nach dem Versammlungsort der Utah! Jetzt gibst du doch zu, daß euer Ritt nur uns gegolten hat.“
    „Nein. Ihr habt uns die Zeit geraubt, so daß wir nun zu spät kommen würden. Wir kehren zurück.“
    „Durch den Felsenspalt?“
    „Ja. Lebe wohl!“ Er gab ihm die Hand und stieg auf. Dann ritt er in den Spalt hinein, ohne sich nach einem andern Menschen umzublicken.

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