05 - Der Schatz im Silbersee
Ich habe ihm unten im Cañon, wo ich ihn begnadigte, gesagt, daß es ihn das Leben kosten werden, wenn er wieder Verrat übe. Er hat trotzdem abermals sein Wort gebrochen, und ich bin der Ansicht, daß wir dies nicht unbestraft hingehen lassen dürfen. Es handelt sich nicht um uns allein. Wenn er nicht bestraft wird, kommt er zu der Ansicht, daß man den Weißen überhaupt nicht Wort zu halten brauche, und das Beispiel eines solchen Häuptlings ist maßgebend für alle andern Roten.“
„Mein Bruder hat recht. Ich töte nicht gern einen Menschen; aber der ‚Große Wolf‘ hat Euch mehrfach betrogen und also den Tod wiederholt verdient. Lassen wir ihn leben, so gilt das für Schwäche. Bestrafen wir ihn aber, so erfahren seine Krieger, daß man uns das Wort nicht ungestraft brechen darf, und werden künftig nicht mehr wagen, so treulos zu handeln. Aber jetzt brauchen wir noch nichts davon zu erwähnen.“
Nun war die Viertelstunde vergangen und Old Shatterhand fragte ‚Feuerherz‘: „Die Zeit ist um. Was hat der Häuptling des Utahs beschlossen?“
„Bevor ich das sagen kann“, antwortete der Gefragte, „muß ich erst genau wissen, wohin ihr die Geiseln schleppen wollt.“
„Schleppen werden wir sie nicht; sie reiten mit uns. Zwar werden sie gefesselt sein, aber Schmerzen werden wir ihnen nicht bereiten. Wir gehen nach dem Teywipah.“
„Und dann?“
„Hinauf nach dem Silbersee.“
„Und so weit sollen die Geiseln mit euch reiten. Die Hunde der Navajos können bereits da oben angekommen sein; sie würden unsre Krieger töten.“
„So weit wollen wir sie nicht mitnehmen; sie sollen uns bis in das Tal der Hirsche begleiten. Ist uns bis dorthin nichts geschehen, so nehmen wir an, daß ihr euer Wort gehalten habt, und lassen sie frei.“
„Ist das wahr?“
„Ja.“
„Werdet ihr es mit uns durch die Pfeife des Friedens berauchen?“
„Nur mit dir allein; das genügt, denn du redest und rauchst im Namen der andern.“
„So nimm dein Calumet und brenne es an.“
„Nimm lieber das deinige.“
„Warum? Ist nicht deine Pfeife ebensogut wie die meinige? Oder bringt die deinige nur Wolken der Unwahrheit zustande?“
„Umgekehrt ist es richtig. Mein Calumet spricht stets die Wahrheit; aber der Pfeife der roten Männer ist nicht zu trauen.“
Das war eine schwere Beleidigung; darum rief ‚Feuerherz‘, indem seine Augen vor Zorn funkelten: „Wäre ich nicht gebunden, so würde ich dich töten. Wie darfst du es wagen, unser Calumet Lügen zu strafen!“
„Weil ich ein Recht dazu habe. Die Pfeife des ‚Großen Wolfes‘ hat uns wiederholt belogen, und du hast dieselbe Schuld auf dich geladen, indem du ihm Krieger gabst, uns zu ergreifen. Nein, es wird nur aus deinem Calumet geraucht. Willst du das nicht, so nehmen wir an, daß du es nicht ehrlich meinst. Entscheide schnell! Wir haben keine Lust, mehr Worte zu verlieren.“
„So bindet mich los, damit ich die Pfeife bedienen kann!“
„Das ist nicht nötig. Du bist Geisel und mußt gefesselt bleiben, bis wir dich im Tal der Hirsche freigeben. Ich selbst werde dein Calumet bedienen und es dir an die Lippen halten.“
‚Feuerherz‘ zog es vor, nicht mehr zu antworten. Er mußte auch diese Beleidigung auf sich nehmen, da es sich um sein Leben handelte. Old Shatterhand nahm ihm die Pfeife vom Hals, stopfte sie und steckte sie in Brand. Dann stieß er den Rauch gegen oben, unten und die vier Himmelsrichtungen und erklärte dann in kurzen Worten, daß er das zwischen ihm und Feuerherz gegebene Versprechen halten werde, wenn die Utahs auf alle Feindseligkeit verzichteten. Feuerherz wurde auf die Füße gestellt und in die vier Windrichtungen gedreht. Dabei mußte er dieselben sechs Züge aus der Pfeife tun und für sich und die Seinen das Gegenversprechen leisten. Die Zeremonie war damit beendet.
Nun mußten die Utahs die noch fehlenden, den Weißen zurückbehaltenen Gegenstände abliefern. Sie taten es, denn sie sagten sich, daß sie sehr bald wieder in den Besitz derselben kommen würden. Dann wurden die Pferde der Weißen und der Geiseln gebracht. Das war gerade, als der Tag zu grauen begann. Die Weißen hielten es für geraten, ihren Abzug möglichst zu beschleunigen. Sie mußten sich dabei der äußersten Vorsicht bedienen und durften sich nicht die mindeste Blöße geben, durch welche den Roten irgendein Vorteil geworden wäre.
Die fünf ausgewählten Krieger und die Häuptlinge wurden auf ihre Pferde gebunden; dann nahmen je zwei
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