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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ganz Selbstverständliches hinzunehmen. Darum blieb er von fern stehen und blickte über sie hinweg nach den Bergen hinüber, als ob er mit ihnen nicht das mindeste zu schaffen habe. Aber er hatte sich verrechnet, denn die Tante Droll kam zu ihm und sagte: „Warum tritt das ‚Lange Ohr‘ nicht näher? Will er die berühmten Krieger der Bleichgesichter nicht begrüßen?“
    Der Häuptling brummte etwas Unverständliches in seiner Sprache vor sich hin, kam aber da bei Droll an den Falschen, denn dieser klopfte ihm wie einem alten, guten Bekannten auf die Achsel und rief: „Rede englisch, alter Boy! Ich habe deinen Dialekt nicht gelernt.“
    Der Rote murmelte wieder einiges Kauderwelsch, und so fuhr Droll fort: „Verstelle dich nicht! Ich weiß, daß du ein ganz leidliches Englisch sprichst.“
    „No !“ leugnete der Häuptling.
    „Nicht? Kennst du mich?“
    „No !“
    „Hast du mich also noch nicht gesehen?“
    „No !“
    „Hm! Besinne dich! Du mußt dich meiner erinnern.“
    „No !“
    „Wir haben einander unten in Fort Defiance gesehen!“
    „No !“
    „Schweige mit deinem ‚No ‘! Ich kann dir beweisen, daß ich recht habe. Wir waren da drei Weiße und elf Rote. Wir haben ein wenig Karten gespielt und ein wenig getrunken. Die Roten aber tranken noch mehr als die Weißen und wußten endlich nicht mehr, wie sie heißen und wo sie waren. Sie schliefen dann den ganzen Nachmittag und auch die ganze Nacht. Kannst du dich nun besinnen, Alter?“
    „No !“
    „Schön! Aber antworten tust du mir doch; das ist ein Beweis, daß du mich verstehst, und darum will ich weitersprechen. Wir Weißen legten uns auch nieder unter dem Bretterschuppen bei den Indianern, denn es gab sonst keinen Platz. Als wir erwachten, waren die Roten fort. Weißt du, wohin?“
    „No !“
    „Aber mit ihnen war auch mein Gewehr fort und meine Kugeltasche. Ich hatte ein T.D . Tante Droll, in den Lauf gravieren lassen. Sonderbarerweise befinden sich diese Buchstaben hier auf dem Lauf des deinigen. Weißt du vielleicht, wie sie dorthin gekommen sind?“
    „No !“
    „Und meine Kugeltasche war mit Perlen bestickt und auch mit einem T.D . versehen. Ich trug sie an meinem Gürtel, grad so wie du die deinige. Und wie ich zu meiner innigen Freude bemerke, hat diese auch dieselben Buchstaben. Weißt du, wie meine Buchstaben an deine Tasche gekommen sind?“
    „No !“
    „So weiß ich desto besser, wie mein Gewehr in deine Hand und mein Kugelbeutel an deinen Gürtel gekommen ist. Ein Häuptling trägt nur die Sachen, welche er erbeutet hat; gestohlene Gegenstände aber verachtet er. Ich will dich von ihnen befreien.“
    Im Nu hatte er dem Roten das Gewehr aus der Hand und den Beutel vom Gürtel gerissen und wendete sich dann von ihm ab. Aber blitzschnell war ihm der Rote nach und gebot ihm in ziemlich gutem Englisch: „Gib her!“
    „No !“ antwortete jetzt Droll.
    „Diese Flinte ist mein!“
    „No !“
    „Und dieser Beutel auch!“
    „No !“
    „Du bist ein Dieb!“
    „No !“
    „Her damit, oder ich zwinge dich!“
    „No !“
    Da zog der Rote das Messer. Schon glaubten die, welche Droll nicht genau kannten, daß es zum Kampf kommen werde; aber dieser schlug ein lustiges Gelächter auf und rief: „Jetzt soll ich der Spitzbube an meinen eigenen Sachen sein! Hält man so etwas für möglich? Doch streiten wir uns nicht. Du bist das ‚Lange Ohr‘; ich kenne dich. Bei dir ist das Ohr nicht das einzige Glied, welches eine ungewöhnliche Länge besitzt. Gib der Wahrheit die Ehre, und du sollst behalten können, was du hast; ich habe ja den Verlust schon längst ersetzt. Also aufrichtig: Kennst du mich?“
    „Yes!“ antwortete der Rote wider alles Erwarten.
    „Du warst mit mir in Fort Defiance ?“
    „Yes!“
    „Warst du betrunken?“
    „Yes!“
    „Und bist dann mit meinem Gewehr und meinem Beutel verschwunden?“
    „Yes!“
    „Gut, so sollst du beides haben; hier. Da ist auch meine Hand. Wollen Freunde sein; aber englisch reden mußt du, und mausen darfst du nicht. Verstanden!“
    Er ergriff die Hand des Roten, schüttelte sie ihm und gab ihm die gestohlenen Gegenstände wieder. Der Rote nahm sie, verzog keine Miene, sagte aber im freundlichsten Ton: „Mein weißer Bruder ist mein Freund. Er weiß, was recht und billig ist, denn er hat die Sachen bei mir gefunden und gibt sie mir wieder. Er ist ein Freund der roten Männer, und ich liebe ihn!“
    „Ja, Freundchen, ich liebe auch dich. Das wirst du bald erkennen; denn

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