05 - Spiel der Intrigen
dass sie genau wissen, wo sie hingehören und was
ihnen zu-
steht. Heute nachmittag habe ich die
schöne Emily mehrmals dabei ertappt, dass sie ihrem Butler Blicke zuwarf,
flehentliche Bittblicke zwischen Gleichgestellten. Ja, ich glaube wirklich, es
wird sich herausstellen, dass Miss Goodenough eine Hochstaplerin ist.«
»Ist das so ein schreckliches
Verbrechen? Die Gesellschaft wimmelt von Opportunisten, und die meisten von
ihnen sind nicht halb so hübsch.«
»In meinen Augen ist das kein
Verbrechen, vorausgesetzt, sie ist kein Dienstmädchen, das mit den Kleidern und
dem
Schmuck seiner Herrin durchgebrannt
ist. Eine niedere Herkunft ist eine Sache, Diener sein eine andere. Als
Clarissa ermordet aufgefunden wurde, hat sich meine Dienerschaft das Maul
zerrissen, wie du dir's schlimmer nicht vorstellen kannst.«
»Du fragst dich sicherlich oft, wer
deine arme Frau tatsächlich getötet hat.«
Das Gesicht des Earl nahm einen
harten, abweisenden Ausdruck an. Dann sagte er: »Wir wollen von angenehmeren
Dingen reden. Mein Buch kommt nächste Woche heraus. Meinst du, ich werde in
der Edinburgh Review verhackstückt?«
»Nur wenn du den Kritiker
angeprangert hast«, sagte Fitz. Die beiden Männer zogen es vor, sich nicht nach
der Mode zu
richten und lieber zur Covent
Garden-Oper zu Fuß zu gehen, da sie keinen Sinn darin sahen, in einer langen
Schlange anzustehen und darauf zu warten, von ihren Kutschern vor dem
Opernhaus abgesetzt zu werden.
Bei ihrer Ankunft erfuhren sie, dass
die berühmte Catalini, die laut Plakatanschlägen an diesem Abend singen sollte,
unpässlich und durch eine weniger bekannte Diva ersetzt worden war.
»Es wird so laut sein«, sagte der
Earl, »dass es kaum wert ist, hineinzugehen.«
»Was für eine seltsame Person du
bist!« sagte Fitz lachend. »Du bist bestimmt der einzige Mensch in London, der
in die Oper geht, um die Musik zu hören. Alle anderen gehen, um gesehen zu
werden. Komm mit. Ich habe einen neuen Rock an, der noch keine Chance gehabt
hat, die Leute zu beeindrucken.«
»Wenn deine Schultern noch mehr
gepolstert und deine Kragen noch höher werden«, sagte der Earl trocken, »dann
werden sie dich bald für einen kopflosen Menschen halten. Außerdem wird es
immer sehr heiß, wenn es in der Oper einen Tumult gibt, und in der Hitze
schmilzt dein Rouge.«
»Ich habe eine gesunde Farbe«, sagte
Fitz steif.
»Du wirst mir doch nicht weismachen
wollen, dass dieser grelle Sonnenuntergang auf deinen Wangen natürlich ist!«
»Ich habe ein bisschen nachgeholfen,
das ist alles.«
»Mein lieber Freund, ich kann mich
noch undeutlich an die Zeiten erinnern, als du sauber gewaschen warst. Dein
Gesicht ist weder pockennarbig noch fahl. Warum hast du dann das Bedürfnis,
soviel Farbe aufzutragen?«
Aber Fitz konnte es nicht erklären.
Seit seine Verletzung ihm das Gefühl gab, nur noch ein halber Mann zu sein, war
er ein eitler Pfau geworden. Seine Rückenschmerzen schienen ihm erträglich zu
sein, wenn er nach dem letzten Schrei gekleidet war, als ob er sich hinter der
Maske der Mode für kurze Zeit in einen anderen Menschen verwandeln könnte.
Das Opernhaus war bereits gerammelt
voll, als sie eintrafen. Die Freudenmädchen trieben in den Mittellogen einen
blühenden Handel, und die jungen Männer im Parkett kauften Orangen, um sie
später auf die Stellvertreterin der Catalini zu werfen.
»Da ist deine Prinzessin«, sagte
Fitz.
Emily saß in einer Seitenloge neben
Mrs. Middleton, Mr. Goodenough döste hinter ihnen in seinem Sessel. Es kamen
so viele Leute in ihre Loge, die sie besuchen wollten, dass sie schon bald
nicht mehr zu sehen war.
»Das arme Mädchen«, sagte Fitz. »Sie
ist immer noch der Hauptanziehungspunkt für die feine Gesellschaft. Ob sie bei
dem Tempo mithalten kann, was meinst du?«
»Sie ist sehr jung«, sagte der Earl.
»Und sie ist, trotz ihrer derben Redensarten, äußerst sensibel. Ich könnte mir
vorstellen, dass sie bereits jetzt sehr unter Druck steht.«
»Die Zeiten der fahrenden Ritter
sind vorüber«, sagte Fitz, den Kopf schüttelnd. »Wir sollten für Ablenkung sorgen,
wir sollten uns etwas überlegen, damit die Gesellschaft ihre Aufmerksamkeit
einer anderen Sache zuwendet.«
Das Orchester stimmte die
Eröffnungstöne der Ouvertüre zur Oper an. Die Menschenmassen um Emily verließen
ihre Loge. Sie saß im gleißenden Licht eines riesigen Kronleuchters da, ihr
Gesicht war bleich, und ihre Hände zupften an einem Taschentuch in ihrem Schoß.
Der
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