05 - Spiel der Intrigen
zu verstehen,
dass sie sich verabschieden sollten. Emily hatte sich wieder auf ihren Thron
zurückgezogen und hielt hof, während
die Männer und Frauen
sie in dichten Trauben umstanden.
Und als der Earl sich gerade durch die Menge kämpfte, um sich zu verabschieden,
fuchtelte
eine lebhafte junge Dame mit ihrem
Glas in der Luft herum
und goss die eine Hälfte über Emilys
Gewand und die andere auf die Hose von Lord Agnesby, einem älteren Gecken, der
gerade
neben ihr stand. Emily betupfte den
nassen Fleck auf ihrem Kleid mit einem Taschentuch und sagte mit ihrer klaren,
tragenden Stimme bedauernd: »Ach du meine Güte, meine ganze Kledasche ist klitschnass
geworden.« Es trat eine überraschte, schockierte Stille ein, denn seine
Kleidung als Kledasche zu bezeichnen, war doch außerordentlich gewöhnlich.
Emily machte alles noch viel
schlimmer, als sie sich bei dem Versuch, ihren unverzeihlichen Schnitzer
auszubügeln, an Lord Agnesby wandte und sagte: »Ich hoffe, Ihre Hosen sind
nicht im Eimer.«
Man hörte geradezu, wie es jedermann
den Atem verschlug. Einer Lady kam das Wort »Hosen« unter keinen Umständen über
die Lippen. Sie konnte sie allenfalls keusch als die »Unaussprechlichen«
bezeichnen.
Emilys gesellschaftliche Zukunft
hing an einem seidenen Faden. Da ertönte in die Stille hinein die angenehme,
heisere Stimme des Earl of Fleetwood. »Ihre Königliche Hoheit«, begann er.
Dann stockte er und tat so, als müsse er sich sammeln. »Entschuldigen Sie, ich
meine Miss Goodenough. Mr. Fitzgerald und ich wollen Ihnen für Ihr schönes
Fest danken. Ich werde Ihrer . .. Ihnen morgen einen Besuch abstatten, in der
Hoffnung, dass Sie mit mir in den Park fahren.«
Um ihn herum tuschelte alles erregt.
Eine junge Dame zischte ihrer Freundin aufgeregt zu: »Ich habe dir doch gesagt,
dass sie eine Prinzessin ist. Unsere liebe Prinzessin Charlotte spricht ja
schließlich auch so, als hätte sie ihr ganzes Leben im Stall verbracht!«
Der Earl und Fitz verbeugten sich
und zogen sich zurück. Sie brauchten etwa zehn Minuten, um sich nach draußen zu
kämpfen.
»Hu!« machte Fitz und wischte sich
über die Stirn, nachdem sie sich ein Stück vom Haus entfernt hatten. »Du hast
sie gerettet. Du hast sie ganz bestimmt gerettet. Was für ein Engel, aber was
für eine Ausdrucksweise! Was glaubst du, wer sie wirklich ist?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Earl
nachdenklich. »Aber ich habe vor, es herauszufinden!«
Emily hatte das Gefühl, ihre Gäste würden
nie mehr nach Hause gehen. Sie lächelte, bis sich ihr Gesicht ganz steif anfühlte.
Sie war Mrs. Middleton zutiefst dankbar dafür, dass sie, durch ein paar Gläser
Champagner angeregt, mit bewundernswerter Leichtigkeit plauderte und sämtliche
Fragen, die auf Emily herunterprasselten, wie eine souveräne Gesellschafterin
parierte.
Emily gelang es unterdessen,
Rainbird zuzuflüstern, dass sie wünschte, der Abend wäre vorüber.
Rainbird begab sich daraufhin in den
hinteren Salon und bat Joseph, sein Spiel zu beenden, damit das Orchester
wieder in Aktion treten konnte.
Das Orchester begann, wo es
aufgehört hatte, nämlich mit der trübseligen Pavane. Wie ein Trauermarsch
klangen die gemessenen Töne den Gästen in den Ohren.
Die richtige Musik kann ein erregtes
Gemüt beruhigen und es milde stimmen. Die Wahl, die die Kapelle getroffen
hatte, wirkte wie der Anblick eines Totenschädels — die Melodie war so langsam
und so traurig, dass sie die Gesellschaft an die Vergänglichkeit des Lebens
und die Unbeständigkeit von Stimmungen erinnerte. Zuerst begannen sie einzeln
und zu zweit zu gehen, aber dann in großen Gruppen. Ein paar Herren schienen
entschlossen zu sein, Emilys Schönheit bis in alle Ewigkeit zu verehren, aber
als Rainbird aufhörte, Wein und Champagner herumzureichen, fiel ihnen ein, dass
es spät am Abend war und sie Emily genausogut am nächsten Tag anbeten konnten.
Bald war die letzte Kutsche die Clarges Street hinuntergerollt.
Emily und Mr. Goodenough zogen sich
in eine Ecke des Speisezimmers im ersten Stock zurück und überließen es den
Dienern, aufzuräumen, und Emily fragte sich wieder einmal, ob sie sich je daran
gewöhnen würde, bedient zu werden.
»Das ging ja gerade noch einmal gut,
meine Liebe«, sagte Mr. Goodenough. »Aber es hätte katastrophal enden können,
wenn der Earl of Fleetwood nicht eingeschritten wäre. Du hast einen
schrecklichen Ton am Leibe, Emily. Und du hättest mir vorher sagen müssen, dass
du
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