05 - Spiel der Intrigen
demaskiert zu werden. Es war ein
großer Fehler gewesen,
die Saison mitzumachen. Wie hatte sie je davon träumen können, einen Mann der
feinen Gesellschaft zu heiraten? Es war besser, sich mit ihrem treuen Freund
aufs Land zurückuziehen und dort ein ruhiges und angenehmes Leben zu führen.
Gott wies einen am Tage seiner Geburt einen bestimmten Platz in der
Gesellschaft zu, und es war eine schändliche Sünde, sich nach oben oder unten
bewegen zu wollen.
Mr. Goodenough betet, dass der
Prinzregant unter den Gästen sein möge. Wenn er nur seinen Diener machen und
einen Blick auf die berühmten Gesichtszüge werfen konnte, dann wollte er als
glücklicher Mann sterben.
Mrs. Middleton war todmüde. Sie
hoffte, dass sie nur kurze Zeit auf der Abendgesellschaft bleiben würden. Ihre
Füße wa ren in ihren neuen Schuhen
angeschwollen, und ihr neues Korsett klemmte über der Taille. Emily hatte
während der Unterhaltungen vor Beginn der Oper nichts Falsches mehr gesagt.
Mrs. Middleton hatte zunächst ihre vorübergehende Beförderung in die feine
Gesellschaft genossen, aber jetzt wollte sie nur noch in ihren gemütlichen
Salon zurückkehren und wieder Haushälterin sein.
Das Haus des Earl strahlte vom Dach
bis zum Keller in hellem Lichterglanz. Die Goodenoughs und Mrs. Middleton mussten
endlos warten, während sich ihre Kutsche Zoll um Zoll durch den dichten Verkehr
bewegte.
Als sie
schließlich ausstiegen, rief Emily Joseph und bat ihn, sie zu begleiten. Sie
begann sich immer mehr auf die Diener der Clarges Street zu verlassen, und
hatte das Gefühl, dass sie auf der Abendgesellschaft einen gewissen Halt haben
würde, wenn sie Josephs beeindruckende Statur im Rücken hatte.
Joseph war entzückt von der
Vorstellung, einen Blick auf eine echte Prinzessin werfen zu dürfen. Darüber
vergaß er fast die quälende Sorge um Lizzie und die Frage, warum Luke sich
plötzlich für sie interessierte.
Das erste, was Emily auffiel, war, dass
es keine Erfrischungen, keine Spielkarten und keine Musik gab. Sie errötete,
als sie an ihre eigenen Bemühungen dachte, und fragte sich, ob man sie als
Emporkömmling erkannt hatte, weil es bei ihr Speisen, Getränke und Musik
gegeben hatte.
Emily, Mr. Goodenough, Mrs.
Middleton und Joseph standen auf der Treppe, die zum Salon im ersten Stock
führte, Schlange. Es gab viel Geschubse und Geschiebe, als sich die einen nach
oben drängelten und sich die anderen, die das glorreiche Erlebnis, die
Prinzessin kennenzulernen, bereits hinter sich hatten, nach unten kämpften.
Endlich gelangte auch die kleine
Gruppe um Emily zur Flügeltür des Salons.
Mr. Goodenough kramte nach seiner
Visitenkarte, konnte sie nicht finden und nannte deshalb ihre Namen mit
unsicherer Stimme. Die kleine Gruppe betrat den Salon.
Emily verließ der Mut.
Denn das war bestimmt eine echte
Prinzessin.
Es handelte sich bei ihr um eine
große, elegante Dame, die eine riesige gepuderte Perücke trug. Ihr Gesicht war
eine Maske aus weißer Talkumschminke, und auf den Wangen war kreisrund Rouge
aufgetragen. Sie trug eine lange, fließende, karmesinrote Samtrobe, die üppig
mit Goldstickerei verziert war. Schwere geschmacklose Halsketten aus riesigen
Rubinen und Saphiren in Goldfassungen hingen ihr um den Hals und reichten ihr
über die flache Brust fast bis zur Taille.
Der Earl stand hinter ihrem Stuhl.
»Und wer ist das?« fragte die
Prinzessin mit überraschend tiefer Stimme.
»Miss Emily Goodenough«,
murmelte der Earl, »ihr Onkel, Mr. Benjamin Goodenough, und Miss Emilys
Begleiterin, Mrs. Middleton.«
»Du bist sehr schön, mein Kind«,
sagte die Prinzessin. »Du darfst mir einen Kuss geben.«
Emily trat schüchtern vor, versank
in einen tiefen Knicks und wollte dann die Prinzessin auf die Wange küssen. Ehe
sie sich's versah, packten sie zwei kräftige Hände, und die Prinzessin küsste
sie zu ihrem Entsetzen mitten auf den Mund. »Dafür sollte ich dich zum Duell
herausfordern, du gemeiner Schuft«, sagte der Earl.
Über und über errötend, trat Emily
zurück und schaute den Earl und die Prinzessin fassungslos an.
Mr. Goodenough machte seinen Diener
und Mrs. Middleton ihren schönsten Knicks.
Als sie gerade wieder gehen wollten,
hörte man es draußen, wo die neuen Gäste darauf warteten, der Prinzessin
vorgestellt zu werden, aufgeregt tuscheln und rufen, und dann kündigte Giles
an: »Seine Königliche Hoheit, der Prinzregent; Mr. George Brummell; Lord Alvanley.«
»Au, verdammt!« entfuhr es dem
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