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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Earl hob sein Monokel und
betrachtete sie aufmerksam. Er kannte sie kaum; er war davon überzeugt, dass
ihn keine Frau, nur weil sie schön war, faszinieren konnte. Aber während er sie
beobachtete, fühlte er plötzlich heftiges Mitgefühl in sich aufsteigen, ein
seltsames Verlangen, sie vor den Folgen dessen, was er für ihre eigene Dummheit
hielt, zu bewahren.
    Er murmelte etwas vor sich hin,
stand auf und verließ seine Loge. Man sah ihn danach von Loge zu Loge gehen und
sich schließlich zuletzt vor Emily verbeugen. Fitz fragte sich, was sein Freund
wohl vorhatte. Der Lärm vom Parkett wurde immer lauter und schriller. Die Diva
auf der Bühne reagierte sehr ärgerlich und schleuderte die Wurfgeschosse, die
sie trafen, zurück in den Zuschauerraum. Die Leute freuten sich, dass sie kein
Spielverderber war, und nachdem sie noch ein bisschen geschrien und gelärmt
hatten, beschlossen sie, ihr eine Chance zu geben, und richteten sich darauf
ein, zuzuhören.
    In der Pause kam der Earl zurück.
»Komm, Fitz«, sagte er. »Wir haben viel zu tun. Ich gebe eine Abendgesellschaft
— eine improvisierte Abendgesellschaft um Mitternacht.«
    »Aber alle werden zum Ball nach der
Oper bleiben! Kein Mensch wird kommen.«
    »0 doch, sie werden kommen. Alle
haben erklärt, sie brennen darauf, die Bekanntschaft von Londons neuestem
Star, der Prinzessin Anastasia Moussepof zu machen.«
    »Nie von ihr gehört. Wer ist sie?«
    »Du, mein lieber Freund. Du.«
    »Meinen Sie wirklich, ich sollte Fleetwoods
Abendgesellschaft besuchen?« fragte Emily Mrs. Middleton.
    »Ich glaube, es wäre gescheit, Miss
Goodenough. Fleetwood wird von jedermann bewundert. Es könnte sein, dass sogar
der Prinzregent kommt, wenn er davon erfährt.«
    »Dann müssen wir unbedingt
hingehen«, rief Mr. Goodenough. »Ich bin schon lange ein Bewunderer des
Prinzregenten, und es war immer mein Traum, ihn persönlich kennenzulernen.«
    »Aber ich fürchte, Fleetwood macht
sich über uns lustig«, sagte Emily besorgt. »Noch eine Prinzessin! In seinen
Augen blitzte es verdächtig, als er die Einladung aussprach. Ich habe es so
satt, für eine Prinzessin gehalten zu werden. Wenn nicht etwas geschieht, was
die Aufmerksamkeit der Gesellschaft von mir ablenkt, dann wird noch jemand
allzu neugierig und stellt mich bloß.«
    »Vielleicht ist diese neue
Prinzessin genau das Richtige«, sagte Mrs. Middleton.
    »Aber was ist, wenn ich ihr als
Prinzessin vorgestellt werde und sie anfängt, mich auszufragen?«
    »Dann müssen Sie genauso vorgehen
wie bei allen anderen«, riet Mrs. Middleton. »Leugnen Sie, dass Sie eine
Prinzessin sind. Bis jetzt scheint Ihnen das keiner geglaubt zu haben, aber
wenn man hört, dass Sie es Prinzessin Anastasia versichern, dann akzeptiert man
Sie vielleicht als Miss Goodenough. Sie müssen aber zugeben, dass es eine
ausgezeichnete Idee war. Sie hätten niemals einen Angehörigen der exklusiven
Gesellschaft kennengelernt, wenn Lizzie nicht auf diese Idee gekommen wäre.«
    »Wer ist Lizzie?«
    »Das kleine Küchenmädchen. Eine ganz
überdurchschnittliche Person. Pscht! Die Oper geht weiter.«
    Emily hörte kaum etwas davon. Sie
fühlte sich in ihrer Rolle als Hochstaplerin überfordert. Es war schlimm genug,
ein ehe maliges Stubenmädchen zu sein — aber
vorzutäuschen, eine Prinzessin zu
sein! Erst vor ein paar Wochen war ein Unglücklicher, der vorgegeben hatte,
ein britischer Angehöriger des Hochadels
zu sein, vor dem Gefängnis in Newgate gehängt worden. Aber dabei ging es um einen britischen Aristokraten.
Bestimmt wurde niemand gehängt, weil er vorgab, eine auslän dische Prinzessin zu sein. Warum schaute sie
Fleetwood immer mit diesem spöttischen, belustigten Ausdruck in den Augen an?
    Die arme Emily hörte nicht auf, sich
Sorgen zu machen, während sich die unbedeutende Oper von einem wenig be-
    kannten italienischen Komponisten
dahinschleppte. Auf die Oper folgte ein Schwank, und dann war es Zeit, sich zum
Haus des Earl of Fleetwood in die Park Lane zu begeben.
    Als sie das Opernhaus verließen,
warf Emily einen Blick auf ihr Spiegelbild in einem der hohen Spiegel. Sie sah
eine schöne und elegante Lady. Wenn ich mich nur innerlich wie eine Lady fühlen
könnte, dachte sie traurig.
    Auf dem Weg
zur Park Lane in der gemieteten Kutsche, an deren hinterem Haltegurt sich die
hochgewachsene Gestalt von
    Joseph
klammerte, war jeder Insasse in seine geheimen Gedanken vertieft. Emily fand, dass
es gewissermaßen eine Erleichterung wäre,

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