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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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gehalten hat, dachte
er. Sie war schön und damenhaft. Auch hatte sie keine einzige gewöhnliche
Redensart mehr gebraucht. Sie war ausgeglichen und selbstsicher und ganz
Gastgeberin. Aber er erinnerte sich deutlich an die andere Emily mit dem
gewissen undefinierbaren Ausdruck in den Augen, als ob sie ständig vor etwas
auf der Hut wäre. Was hatte diese Veränderung bewirkt? Vielleicht war sie bei
ihrer Ankunft in London noch sehr unsicher gewesen. Sie wechselte rasch das
Thema und fragte ihn, was er von der Neuinszenierung der Zauberflöte hielt.
    »Auf ihre Art sehr gut«, sagte er.
»Das heißt — soweit ich sie hören konnte.«
    »Einige Stellen waren so schön, dass
ich weinen musste«, sagte Emily, »aber ich glaube kaum, dass Mozart >Das
Roastbeef von Old England< komponiert hat.«
    »Der Regisseur streut einige
populäre englische Lieder in die Oper ein, so dass das Publikum mitsingen kann.
Dadurch ähnelt ein Opernabend einem Abend im Coal Hole.«
    Emily schaute ihn fragend an, und so
erklärte er: »Das Coal Hole ist eine Schenke an der Strand, in der beliebte
Balladensänger und andere Unterhaltungskünstler auftreten.«
    »Es wäre wunderbar«, sagte Emily
sehnsüchtig, »wenn es in London ein Opernhaus für Musikliebhaber gäbe, wo die
Leute nicht hingingen, nur weil es Mode ist.«
    Der Earl tat, als sei er schockiert.
»Sie sind ein Original, Miss Goodenough.« Er wandte sich an Miss Giles-Denton,
die an seiner anderen Seite saß, und sagte: »Miss Goodenough wünscht sich ein
Opernhaus nur für Musikliebhaber.«
    Miss Giles-Denton nahm eine Pose
ein. Es war die der Minerva, die darüber nachdenkt, ob sie einen Dichter
inspirieren soll oder nicht. Bei dieser Pose musste man den Blick in die Ferne
richten und mit einem Finger auf die Stirn zeigen. Der Earl wartete geduldig.
»Damen sollten sich nicht für Musik interessieren«, gab Miss Giles-Denton schließlich
von sich. »Kleider sind wichtiger... und Tänze.«
    »Warum beschränken wir unsere
Modeschauen und Tänze dann nicht auf Almack's Modeball und lassen die Oper in
Frieden?« rief Emily.
    »Meiner Treu«, sagte Lord Agnesby
nachsichtig. »Sie wollen doch sicher nicht, dass wir Sie für einen Blaustrumpf
halten, Miss Goodenough.«
    »Es wird eine Zeit kommen, in der es
Mode ist, intelligent zu sein«, sagte Emily.
    »Nicht für Damen«, entgegnete Lord
Agnesby. »Wir beten die Damen an. Sterben für sie. Hübsche kleine Dinger.« Er küsste
seine mit Koschenille gefärbten Finger und wedelte mit ihnen in der Luft. »Wie
sollten wir Herren mit der rauhen Wirklichkeit zurechtkommen, wenn uns nicht
irgendein Engel mit seinem unschuldigen Geplapper ermutigen würde?«
    Von allen Seiten, außer vom Earl,
dessen Gesicht einen boshaft belustigten Ausdruck hatte, kam zustimmendes
Gemurmel. Es ging das Gerücht, dass Lord Agnesby lieber für einen hübschen
Jungen als für eine Frau sterben würde. Mrs. Middleton hüstelte nervös, ein
Zeichen, dass Emily in Gefahr war, sich daneben zu benehmen. Emily betrachtete
starrköpfig die Reste ihres Puddings.
    »Ich sehe, dass Sie nicht
einverstanden sind«, meinte der Earl.
    »Nein«, sagte Emily, aber mit leiser
Stimme, die nur für seine Ohren bestimmt war. »Ich ziehe gerne schöne Kleider
an und freue mich über Komplimente, aber ich mag auch Bücher und Musik, und
daran ist doch bestimmt nichts Schlechtes?«
    »Überhaupt nichts in den Augen der
tonangebenden Leute—wenn Sie Ihren Lesestoff auf Trivialromane wie dieses Buch,
über das wir gerade gesprochen haben, beschränken.«
    »0 nein.«
    »Lesen Sie auch Liebesromane?«
    »Nicht mehr. Ich halte sie für eine
schädliche Lektüre für Damen und Kavaliere. Sie tun so, als sei Liebe der
Hauptzweck des Lebens und sind — davon bin ich überzeugt— verantwortlich für
vorschnelle Verlobungen und unglückliche Ehen. Ritterlichkeit ist etwas
anderes. Ich glaube bestimmt, dass viele aus dem Edelmut eines Don Quichotte
etwas lernen können, ohne sich von seiner Verrücktheit anstecken zu lassen.«
    »Sie haben recht, und dennoch muss
ich in diesem Moment bekennen, dass mir die Liebe sehr wichtig erscheint.«
    Emily sah ihm in die Augen und
spürte, dass sie ihren Blick nicht mehr losreißen konnte. Durch ihren Körper
fluteten alle die hässlichen, gemeinen, undamenhaften Gefühle, die sie schon im
Traum erlebt hatte.
    »Und Zeitungen«, sagte sie atemlos.
»Ich lese viele Zeitungen.«
    »Es gibt jetzt verwirrend viele«,
sagte er mit zärtlicher, heiserer

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