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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Kapitel

    Was für ein Tag! Emily blickte den Esstisch
entlang und konnte nicht glauben, dass sie es geschafft hatte. Die Gäste saßen
an ihren Plätzen, und das Essen war ausgezeichnet.
    Außer ihr und Mrs. Middleton und Mr.
Goodenough, dem Earl und Mr. Fitzgerald saßen da Lord und Lady Jammers, Lord
    Agnesby und zwei leicht angejahrte
Debütantinnen, Miss Har-
    riet Giles-Denton und Miss Bessie
Plumtree. Lord und Lady Jammers waren nett und zugänglich gewesen, als Emily
ihnen
    bei verschiedenen gesellschaftlichen
Anlässen begegnet war, Lord Agnesby hielt sie für harmlos, und Miss Plumtree
und Miss Giles-Denton hatte sie aus den Reihen der Debütantinnen gewählt, weil
sie das Gefühl hatte, es sollten auch einige junge Damen dabeisein. Emily hätte
um keinen Preis der Welt zugegeben, dass sie sie ausgesucht hatte, weil sie
sie insgeheim nicht für eine ernst zu nehmende Konkurrenz hielt. Miss Giles-Denton
war eine sanfte, bleiche, konturenlose Blondine und Miss Plumtree eine
ärgerlich aussehende kleine Brünette, die von einer erfolglosen Saison zur
anderen immer noch ärgerlich aussah.
    Der Tag war aufregend und hektisch
gewesen. Man hatte für Angus MacGregor einen Arzt holen müssen. Angus war zur
Ader gelassen worden, was zwar sein Fieber senkte, ihn aber schwach wie ein
junges Kätzchen machte. Sie hatten ihn nach unten getragen und auf eine
Matratze auf dem Küchenboden gebettet, von wo aus er mit schwacher Stimme der
nervösen Dienerschaft Anweisungen gegeben hatte, wie die einzelnen Gerichte zu
bereiten seien. Mrs. Middleton hatte entdeckt, dass sie das seltene Talent für
die höheren Weihen der Kochkunst besaß. Obwohl sie ohne Pause ängstlich und
aufgeregt arbeitete, hatte sich die furchtsame Haushälterin in ihrem ganzen
Leben nicht so bedeutend gefühlt. Unmittelbar bevor die Gäste ankamen, schickte
Rainbird sie nach oben, damit sie sich umziehen und dann ihren Platz unter den
Gästen als Emilys Anstandsdame einnehmen konnte.
    Emily, königlich gekleidet in einem
klassischen griechischen Gewand aus weißem Musselin mit goldener Lochstickerei,
saß an dem einen Ende der Tafel, Mr. Goodenough an dem anderen. Während die
Gäste herzhaft zulangten, sich gegenseitig mit Lob über die köstlichen Saucen
überboten und Lord Agnesby nach dem Namen des Kochs fragte und, als er ihn erfuhr,
schwor, dass nur ein Mann solche genialen Kreationen hervorbringen
könne, fühlte sich Emily zum erstenmal zu den oberen Zehntausend gehörig.
Draußen lag Mayfair, das in ihrer Vorstellung auf die angenehmen Dimensionen
eines eleganten Dorfes zusammenschmolz, eines Dorfes, in das sie jetzt gehörte.
Während des Besuchs von Mrs. Otterley war etwas mit ihr geschehen. Sie war bei
weitem nicht mehr so ängstlich und furchtsam. Sie hatte diese Dinnerparty
organisiert — und sie war ein Erfolg. Emily vergaß ganz, dass dieser Erfolg
fast ausschließlich den guten Geistern von Nummer 67 zu verdanken war. Sie
hatte sich daran gewöhnt, ihren Rat in wichtigen und unwichtigen
Angelegenheiten anzunehmen und sich auf Mrs. Middleton zu verlassen, wenn es
darum ging, was sie anziehen und wie sie sich unterhalten sollte. Die
unbeholfene, schüchterne Emily gehörte der Vergangenheit an, und sie betrachtete
die Hilfe der Diener als selbstverständlich.
    Aber da war immer noch eine gewisse
Unsicherheit wegen dieses Buches, auch wenn es nur noch eine kleine bohrende
Angst im Hinterkopf war. Sie hatte sich während der ersten Gänge mit dem Earl
of Fleetwood über alltägliche Dinge unterhalten, doch als jetzt der Pudding
mit dem Namen >Schwimmende Insel< kam, sagte Emily leichthin: »Mylord,
haben Sie das Buch über das Stubenmädchen, das gerade erschienen ist, gelesen?
Der Autor wagt es nicht, seinen Namen zu nennen, sondern nennt sich auf der
Titelseite einfach >Ein Gentleman<.«
    »Ich habe das Buch gelesen, ja«,
sagte der Earl. »Ich nehme an, Sie ebenfalls. Wie finden Sie es?«
    »Sehr unterhaltend«, sagte Emily,
»aber höchst unwahrscheinlich. Ich konnte nicht recht an die bösen Diener
glauben oder mir vorstellen, dass irgend jemand, der in dem Buch beschrieben
ist, mir im wirklichen Leben begegnen könnte.«
    »Bravo!« sagte er. »Die wenigsten
Leute begreifen, dass alle die Figuren in diesem unbedeutenden Werk
wahrscheinlich erdacht sind.«
    Er spürte, dass die Spannung in
Emily nachließ, und fragte sich, was er Beruhigendes gesagt haben mochte. Sie
sieht aus wie die Prinzessin, für die sie die Gesellschaft

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