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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Otterley sparte an Korsetts. Das Fischbeinungetüm, das ihre
Taille im Zaum hielt, knarrte unter der Anspannung unheilverkündend. Dann
sprang eine Korsettstange aus ihrer durchgewetzten Verankerung und grub sich
direkt in Mrs. Otterleys linken, schlaffen Hängebusen.
    Ihr Gesicht wurde rotbraun und dann
weiß. Die einzige Möglichkeit, die sie hatte, um den furchtbaren Schmerz zu
erleichtern, bestand darin, die durchbohrte Brust zu ergreifen und sie mit
beiden Händen noch oben zu schieben. Sie versuchte, etwas zu sagen, aber die
Schande, unter der sie litt, war zu groß. Ihre große Brust mit beiden Händen
wie einen Pudding vor sich hertragend, eilte Mrs. Otterley hinaus.
    »War das eine Beleidigung, Rainbird
?« fragte Emily den Butler, der die Haustüre hinter Mrs. Otterley geschlossen
hatte und zurückgekommen war.
    »Eine Beleidigung, Miss?«
    »Ja, wie jemandem eine Nase drehen —
jemandem eine lange Nase machen. Sie hat ihre... äh ... in beide Hände genommen,
die Farbe gewechselt und dabei ganz böse geschaut.«
    »Nein, Miss. Sie hat wahrscheinlich
einen Anfall erlitten. Sehr viele Damen werden von Melancholie heimgesucht. Ich
erinnere mich ...«
    »Reden wir nicht mehr davon«, sagte
Emily schnell, die Mrs. Otterleys Besuch so bald wie möglich vergessen wollte.
»Ich muss mit Ihnen, Mrs. Middleton und MacGregor sprechen. Ich gebe nämlich
morgen abend eine improvisierte Dinnerparty.«
    »Sehr wohl«, sagte Rainbird. »Ich
hole sie sofort.«
    Bald sprachen Mrs. Middleton,
Rainbird und Angus Mac-Gregor eifrig über die Speisenfolge. Zuerst war
MacGregor sehr erfreut, weil er jede Gelegenheit, sein Können als Koch unter
Beweis zu stellen, genoss. Aber als Rainbird und Emily beschlossen, dass es das
beste sei, wenn Mrs. Middleton bei der Dinnerparty wieder ihre Rolle als
Anstandsdame spiele, wurde Angus schweigsam.
    Emily beendete ihre Unterhaltung mit
Rainbird und wandte sich wieder an den Koch. Er sieht über und über rot aus,
dachte sie, unter der weißen Kochmütze quillt leuchtend rotes Haar hervor, sein
Gesicht ist leuchtend rot...
    »Angus!« hörte sie Rainbird
erschrocken sagen. »Geht es dir nicht gut?«
    »Ich fühle mich ganz heiß«, sagte
Angus und legte eine Hand auf die Stirn. »Es ist ganz plötzlich über mich
gekommen.«
    »Vielleicht gehen Sie lieber hinauf
und legen sich hin«, sagte Emily besorgt. »Sie müssen morgen gesund sein.«
    »Jawohl«, sagte Angus. Er erhob sich
und blieb schwankend stehen. Rainbird fasste ihn um die Taille und stützte ihn
auf dem Weg zur Tür. Dann hörte man die beiden Männer die Treppe hinaufgehen.
    »Ach du mein Güte«, meinte Mrs.
Middleton. »Ich hoffe bloß, dass Angus morgen nicht krank ist. Er hat seine
Rezepte
    aufgeschrieben, und ich glaube, ich
könnte es schaffen, das Dinner selbst zu bereiten, Miss Goodenough, aber es ist
nicht dasselbe. Ich meine... eine Köchin!«
    »Ja«, sagte Emily düster. Soviel
hatte sie in ihren Tagen als Stubenmädchen gelernt. Niemand, der etwas auf sich
hielt, hatte eine Köchin.
    Oben brachte Rainbird Angus zu Bett
und versprach ihm, ein paar Pülverchen heraufzubringen, um das Fieber zu
senken, das den Koch immer fester im Griff hielt. Dann ging er wieder hinab.
Auf dem ersten Treppenabsatz stand Mr. Goodenough und korrigierte seine
Halsbinde vor dem alten Spiegel, der dort hing.
    Das Spiegelglas war sehr schlecht,
und so wirkten die Gesichter der Leute, die hineinschauten, fast genauso
verzerrt,
    wie das Gesicht des armen Mr.
Goodenough in Wirklichkeit
    war. Der Butler tat einen Blick über
Mr. Goodenoughs Schulter und erstarrte. Denn sein eigenes Gesicht im Spiegel
war
    zwar verzerrt, aber Mr. Goodenoughs
Gesichtszüge waren jetzt merkwürdigerweise geradegerückt, und Mr. Goodenough
sah so aus, wie er vor seinem Schlaganfall ausgesehen hatte.
    Und deshalb erinnerte sich Rainbird
mit einem Schlag, wo er Mr. Goodenough schon einmal gesehen hatte. Als Rainbird
vor einigen Jahren als Lakai in Lord Trumpingtons Haushalt gearbeitet hatte,
hatte sein Herr auf dem Weg nach Norden im Haus eines gewissen Sir Harry
Jackson eine Rast eingelegt. Spinks, Sir Harrys Butler, war damals sehr nett zu
dem unerfahrenen jungen Lakaien John Rainbird gewesen. Warum in aller Welt verbarg
sich Spinks jetzt hinter der Maske eines Gentleman? Und wer war diese Nichte?
    »Ist etwas nicht in Ordnung,
Rainbird?« fragte Mr. Goodenough und drehte sich um.
    »Doch, doch, Sir«, sagte Rainbird
ruhig. »Es ist alles in Ordnung.«

Achtes

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