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überraschenden Ereignissen."
„Ach, hör bloß auf." Wir gingen weiter, den durchgebrannten Straßenlaternen entgegen. „Wie macht man das überhaupt?", fragte ich. „Ich habe noch nie zuvor einen Vampir gewandelt. Dabei versuche ich doch gerade, vom Bluttrinken wegzukommen."
„Genau deshalb laufen wir auch um zwei Uhr morgens die Hennepin Avenue hinunter", erklärte Sinclair, „statt zu Hause zu sein."
Als Strafe für seine Geheimniskrämerei, was Jessicas beschissene tödliche Krankheit betraf, hatte ich ihm von meiner Nulldiät in Sachen Blut erzählt. Er hatte die Neuigkeit eigentlich ganz gut aufgenommen, aber ich wusste auch, warum.
Er glaubte nicht, dass ich es schaffte. Er selbst konnte es jedenfalls nicht, und deswegen schlichen wir hier in den frühen Morgenstunden herum.
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Die Situation, in der ich Sinclair von meiner neuen Nullblutdiät berichtet hatte, war, wie alle dramatischen Szenen in meinem Leben, nicht so dramatisch wie gedacht.
Wir hatten in der Dusche herumgebalgt, er hatte zu einem Biss angesetzt, und ich war ihm so geschickt ausgewichen, dass ich mich fast auf die Nase gelegt hätte. Er hatte mich gepackt, damit ich nicht wie Janet Leigh durch den Duschvorhang fiel.
„Was um alles in der Welt. . ?"
„Tu das nicht."
„Wie du wünschst." Er ließ mich los. Dann griff er wieder nach mir, als ich erneut ausrutschte.
„Ich glaube, wir duschen uns besser ab, bevor ich mich noch zu Tode stürze."
Er blieb unter der Dusche stehen, blinzelte das Wasser aus seinen Augen und starrte auf mich herunter.
„Was ist los, Elizabeth?"
„Nichts. Nichts! Äh. Nichts."
Er summte und schaute zur Decke.
„Jetzt bleiben wir unter der Dusche, bis ich es ausspucke, richtig?"
„Sozusagen."
Wenn ich noch am Leben gewesen wäre, hätte ich jetzt tief und gleichmäßig Luft geholt. Stattdessen zählte ich von fünf an rückwärts, aber als ich bei zwei angelangt war, konnte ich nicht mehr länger warten. Außerdem würde das Wasser jeden Moment kalt werden. „An meinem Geburtstag werde ich das Bluttrinken endgültig aufgeben."
„Es aufgeben."
„So ist es."
„An deinem Geburtstag." „Genau."
Er rieb sich das Kinn, und ich bemerkte, dass ich nie gesehen 45
hatte, wie Sinclair sich rasierte. Bekamen Vampire Barte? Hoffentlich nicht.
Pfui.
„Du willst keine Möchtegernvergewaltiger überfallen?", sagte er endlich. Ich wusste, dass er mich damit umstimmen wollte.
„Überhaupt nicht mehr. Ich meine, ich bin schließlich die Königin, stimmt's?
Das muss doch auch Vorteile haben."
„Vorteile."
„Sag das nicht, als würde dir gerade eine Wanze über das Zahnfleisch krabbeln. Vorteile, ganz genau! Wenn ich wirklich diese mächtige Superduper-Königin bin, von der du und Tina die ganze Zeit quasselt. ."
„Ich quassele nie."
„.. dann sollte ich doch wohl in der Lage sein, zu entscheiden, wann und wo ich Blut trinke." „Das ist wahr." „Oder ob ich Blut trinke."
„Ah." Er beäugte mich eingehend, fast so, als würde er mich zum ersten Mal richtig wahrnehmen. Allerdings sah er mich zweimal die Woche auf diese Weise an. Das war zwar nett, aber auch merkwürdig. Niemand anders sah mich je so an. „Bist du überhaupt die Königin der Vampire, wenn du kein Blut trinkst?"
„Jetzt mach schon keine so große Geschichte daraus. Du weißt doch, dass ich verrückt nach dir bin. Es ist nichts Persönliches. Eigentlich hat es gar nichts mit dir zu tun."
„Nichts mit mir zu tun", echote er.
„Ach, sei doch nicht so. Es tut mir leid, ich hätte nicht warten sollen, bis du das nächste Mal Lust auf einen Snack hast, um dir zu sagen, dass der Laden geschlossen hat. Aber es war in letzter Zeit so viel los." Ich streckte die Hand aus und wischte Seifenschaum von seinen Schultern. Seinen breiten, breiten Schultern. Konzentrier dich, blöde Kuh. „Du weißt, dass ich alles liebe, was 46
wir im Bett anstellen. Und außerhalb des Bettes. Und unter der Dusche. Und in den Wohnzimmern. Und .. na ja, ich liebe eben alles. Aber diese Entscheidung ist wichtig für mich. Ich finde immer noch nicht, dass Blut trinken zu mir und meiner Persönlichkeit gehört, also . . also werde ich es nicht mehr tun."
„Du hast Shampoo an deinem Ohr", informierte er mich, und das war das Letzte, was er zu diesem Thema zu sagen hatte.
Jetzt waren wir also hier, auf der Jagd nach Beute für ihn. Ich persönlich wäre in diesem Moment lieber wieder unter der Dusche gewesen.
„Wie ist es denn so, wenn man einen
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