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der Müdigkeit gab es auch noch andere Symptome.
Und Nick und ich . . ist ja auch egal. Ich habe mich geirrt. Ich bin ganz sicher nicht schwanger."
„Weiß Nick es?"
Sie wandte den Blick ab. „Niemand außer euch weiß es." „Oh." Ich kannte Jessica sehr gut, besser als jeder andere (dachte ich jedenfalls), und ich wusste, warum sie es für sich
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behalten hatte. Ich fand es nicht gut, aber ich konnte es mir denken.
„Wenn du dachtest, du könntest von ihm schwanger sein, dann solltest du ihm vielleicht besser sagen, dass du krank bist."
„Aber ich will das nicht. Ich wollte es ja noch nicht einmal euch sagen, schon vergessen?"
„Oh, nein. Das habe ich nicht vergessen." Die Fugen der Küchenfliesen zeichneten sich immer noch auf meinem Hintern ab, herrje!
„Wenn kein Lebender davon weiß, dann ist es, als wäre es nicht wahr. Oder?"
Sie setzte ein schiefes Lächeln auf, und ihre dunklen Augen füllten sich mit Tränen. „Es passiert nicht wirklich, wenn die Einzigen, die davon wissen, alle tot sind."
Als ich sah, wie sie weinte, fühlte ich mich wie ein erbärmliches Würstchen.
„Komm schon, hör auf zu weinen." Ich nahm sie in die Arme und drückte sie.
War sie dünner geworden? War sie schon immer so knochig gewesen?
Peinlich berührt stellte ich fest, dass ich es nicht wusste. Und warum hatte ich ihren veränderten Körpergeruch nicht wahrgenommen? Auch wenn ich noch neu in dem Geschäft war, konnte ich so etwas nicht lernen? War ich so schrecklich selbstsüchtig? War ich so mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt, dass es mir egal war, dass meine beste Freundin an Krebs erkrankte?
„Du wohnst zusammen mit dem König und der Königin der Vampire, einem Werwolf, einem Schauspieler und einem Arzt", sagte ich.
„Und einer Waage", meldete sich Tina mit einem ihrer seltenen Witze.
„Richtig. Wir werden dir helfen. Das kriegen wir schon hin." „Blödmann", schluchzte Jessica in meinen Armen. „So ist's recht!"
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„Es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe", gab sie endlich zu. Endlich.
„Du hattest nur so viel mit Sophie und Liam und Alonzo zu tun. Und mit deinem Geburtstag und der Hochzeitsfeier. Ich wollte kein Spielverderber sein, verstehst du?"
Ich verstand. Und dann kam mir eine Idee. Eine lächerliche, ganz furchtbar schlechte Idee.
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Sinclair und ich gingen die Hennepin Avenue entlang. Die Polizei hatte in letzter Zeit einiges für die Sicherheit in dieser Gegend getan, aber wenn man Ärger suchte, konnte man ihn hier immer noch haben. Schließlich war Minneapolis kein idyllisches Bauerndorf. Es war immer noch eine amerikanische Stadt mit einem Nachtleben.
„Ich weiß, was du denkst", sagte er schließlich.
„Kann ich mir denken." Ich starrte in den überraschend sauberen Rinnstein.
Ich war tief enttäuscht. Das Ergebnis meiner Nachforschungen war deprimierend gewesen: Ein Multiples Myelom - technisch gesehen Krebs des Knochenmarks und der dortigen Blutzellen-war eine ernste Erkrankung. Es konnte sich im ganzen Körper ausbreiten und brachte so spaßige Nebenwir-kungen wie Müdigkeit, Schmerz, Dehydrierung, Verstopfimg, Anfälligkeit für Infektionen und selbst - tärääää! - Nierenschäden mit sich.
Die gute Nachricht war, dass Jessicas Form von Krebs sich langsam entwickelte, was ihr und ihrem Arzt - und mir - Zeit gab, nach alternativen Behandlungsmethoden zu suchen.
Aber im Moment fiel mir nur eine Einzige ein.
„Du denkst daran, sie zu wandeln."
„Ich erhole mich immer noch von der Nachricht, dass sie krank ist. Warum hast du mir nichts gesagt?"
„Es war nicht an mir, das Geheimnis zu verraten", gab er einfach zur Antwort.
„Es gibt Zeiten, da hasse ich dich."
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Er sagte nichts.
„Ich . . ich will sie nicht verlieren. Meine beste Freundin! Dass das irgendwann passieren würde, wusste ich ja. Schließlich bin ich unsterblich und sie nicht.
Aber doch nicht jetzt! Sie ist doch erst dreißig Jahre alt, Herrgott noch mal!"
„Das ist jung", gab er zu.
„Ich bin noch nicht bereit für ihren Tod. Nicht jetzt. Ich will nicht, dass sie krank ist. Vielleicht . . vielleicht kann ich das in Ordnung bringen."
„Und vielleicht tust du deiner Freundin damit keinen Gefallen", sagte er ruhig. „Vielleicht solltest du sie ihre Probleme selber lösen lassen."
„Ein Problem ist es, wenn man nicht weiß, was man zu einer Verabredung mit einem Mann anziehen soll. Das hier ist eine verdammte Katastrophe."
„Diese Woche war in der Tat reich an
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