050 - Das Kind der Hexe
unwissende Närrin, dass du glaubtest, dich im Glanz von Magus' Macht mit Schwarzblütigen messen zu können. Ich, eine Hexe echten Geblüts, habe deine Grenzen aufgezeigt.«
Die Hexe Voisin ertrug diese Verhöhnung nicht länger. Mit einem Schrei stürzte sie sich auf Coco – und im selben Moment entschloss sich der Zwerg zu dem tödlichen Dolchstoß. Coco versetzte sich augenblicklich in einen schnelleren Zeitablauf. Die Hexe Voisin, halb über sie gebeugt, erstarrte in dieser Stellung zur Bewegungslosigkeit. Das Stilett des Zwerges hatte sich nur um eine Handbreit gesenkt und schwebte nun bewegungslos in der Luft.
Während auch die Teufelsanbeter ringsum zu Säulen erstarrten, in ihrer Verkleidung grotesk und wie lächerliche Zerrbilder des Dämonischen, glitt Coco schnell vom Entbindungsbett, das der Opfertisch für ihren Sohn sein sollte. Sie verschwand im Hintergrund des Kreissaales. Und hinter ihr wich die Erstarrung von Olivaros Dienern. Die Hexe Voisin stürzte sich auf das Bett, auf dem eben noch Coco gelegen hatte, und das Stilett des Zwerges bohrte sich tief in ihren Rücken.
Coco kümmerte sich nicht darum. Sie sah Dorian, der gehetzt durch die Schwingtür stürzte, und fiel ihm in die Arme.
»Es ist alles vorbei«, sagte sie erleichtert.
So gefasst sie die ganze Zeit gewesen war, so tapfer sie die abscheuliche Prozedur über sich hatte ergehen lassen, so meisterlich sie ihre Rolle gespielt hatte – jetzt war sie am Ende ihrer Kräfte. Und als Dorian sie fest an sich drückte, da ließ sie den Tränen der Erleichterung freien Lauf. Von den Teufelsanbetern drohte keine Gefahr mehr. Nach dem Tod der Hexe Voisin fiel der Bann von ihnen. Die dämonische Verzückung wich der Ernüchterung – sie waren nur noch ein aufgeschreckter Haufen. Als die Lichter angingen und Polizisten in das Entbindungszimmer stürzten, war das Chaos unter den Teufelsanbetern vollkommen.
Die Polizisten standen dieser Situation nicht minder unvorbereitet gegenüber: Sie hatten mit allem gerechnet – nur nicht damit, dass sie mitten in eine schwarze Messe platzen würden.
Dennoch waren sie sofort Herr der Lage. Sie trieben die Teufelsanhänger, die im grellen Licht lächerlich und völlig hilflos wirkten, auseinander und durchsuchten sie nach Waffen. Eine oberflächliche Untersuchung ergab, dass die Frau auf dem Opfertisch tot war – ihr vormals schönes, jugendfrisches Gesicht war nun greisenhaft. Zwei Polizisten postierten sich bei Dorian. Er wurde von Coco getrennt und der eine untersuchte ihn nach Waffen. Als der Zweite ihm Handschellen anlegen wollte, erschien Inspektor Goddard.
»Das ist nun doch nicht nötig, denke ich«, sagte er und verscheuchte den Beamten mit einer ungeduldigen Handbewegung.
»Danke«, sagte Dorian. »Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich keinen Fluchtversuch unternehmen werde. Ich wollte nur solange auf freien Fuß sein, bis Miss Zamis außer Gefahr war. Sie können mich verhaften, Inspektor.«
»Davon ist keine Rede. Ihre Unschuld ist so gut wie bewiesen. Ich frage mich nur, warum Sie nicht gesagt haben, wo Sie zum Zeitpunkt des Mordes an Ihrer Frau gewesen sind.«
Dorian blickte Coco fragend an, doch diese schüttelte nur überrascht den Kopf.
»Ich verstehe nicht«, sagte Dorian mit belegter Stimme.
»Waren Sie etwa zur Tatzeit nicht in Croydon, Pidgeon Street 30?«, fragte der Inspektor stirnrunzelnd.
»Wie kommen Sie denn darauf?« Dorian begann zu schwitzen. Wenn die Polizei diese Adresse herausgefunden hatte, dann konnte dies den Dämonen noch eher gelungen sein.
»Was soll das, Mr. Hunter?«, sagte Inspektor Goddard ungehalten. »Bei uns hat sich eine Mrs. Hampton gemeldet, die Sie anhand des Zeitungsfotos erkannt hat. Und sie behauptet, dass Sie nicht der Mörder sein können, weil Sie zur fraglichen Zeit mit Miss Zamis in ihrem Haus waren. Oder stimmt das nicht?«
Dorian hatte nicht daran gedacht, dass die Hamptons ihr sorgsam gehütetes Geheimnis unabsichtlich preisgeben konnten. Aber nun war es passiert.
Coco hatte die gleichen Überlegungen angestellt.
»Achten Sie darauf, dass Ihnen niemand von der Bande entwischt, Inspektor!«, sagte sie. Und an Dorian gewandt: »Du brauchst nicht gleich das Schlimmste annehmen, Liebling. Olivaro wird sich nicht persönlich einschalten, denn sonst hätte er die Opferung von Anfang an selbst in die Hand genommen. Und die Voisin ist tot.«
»Wollen Sie mir nicht erklären, wovon Sie sprechen?«, fragte Inspektor Goddard.
»Im Augenblick
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