0500 - Der Dunkle Gral
Saunders?«
Er nickte mir zu und verbeugte sich gleichzeitig. »Gratuliere, Sinclair, gratuliere. Wenn ich dich so anschaue, glaube ich, daß du es geschafft hast - oder?«
»Was soll ich geschafft haben?«
»Garinga zu besiegen.«
»Ja, das stimmt.«
»Wir haben dich also nicht unterschätzt. Du bist tatsächlich der richtige Mann gewesen. Aber bist du auch an ihn herangekommen, an den Dunklen Gral? Hast du ihn?«
»Was meinst du denn, Saunders?«
»Sag es mir.«
»Vielleicht.«
»Das heißt bei mir ja«, flüsterte er. »Ja, du hast den Gral, ich sehe es dir an. Jetzt bin ich froh, auf dich gewartet zu haben.«
»Was hättest du sonst getan?«
»Ich wäre bei van Akkeren geblieben.«
»Er befindet sich auf dem Friedhof, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Bestimmt nicht allein.«
»Nein, Baphometh ist bei ihm.«
»Und wer hat geschossen?«
Saunders hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gesehen, weil ich hier auf dich warten wollte. Ich habe dir übrigens das Seil nach unten durchhängen lassen. Ich hoffe, du weißt es zu würdigen, Sinclair.«
»Bestimmt nicht ohne Eigennutz.«
Saunders begann zu lachen. »Da hast du recht, nicht ohne Eigennutz. Ich wollte mit dir reden und dich auf gewisse Dinge aufmerksam machen, verstehst du?«
»Noch nicht.«
»Dann will ich es dir sagen. Vergiß den Schuß.«
»Es war eine Beretta.«
»Na und?«
Ich gab ihm keine Antwort mehr. Statt dessen schritt ich auf eines der Fenster zu. Ich mußte mich recken, um hindurchschauen zu können, sah nicht viel, nur ein blauschimmerndes Licht, das sich wie ein feiner Teppich über das kleine Gräberfeld gelegt hatte. Da ich Baphometh kannte, rechnete ich damit, daß der Lichtschein von ihm ausging.
Saunders konnte mir gestohlen bleiben, der Schuß war wichtiger gewesen, viel wichtiger.
Ich drehte mich herum - und merkte erst jetzt, daß ich einen Fehler begangen hatte.
Ich hätte dem Verräter nicht den Rücken zuwenden sollen. Womit er schlug, erkannte ich nicht, es war jedenfalls ein länglicher Gegenstand. Mein Ausweichmanöver geschah reflexartig. Dennoch kam ich nicht schnell genug weg.
Kopf, Hals und Schulter wurden von diesem Streifschlag getroffen. Etwas blitzte auf, ich kippte seitlich gegen die Wand und verspürte an der Schulter einen Druck, bevor meine Knie weich wurden und ich den Halt verlor.
Im Zeitlupentempo sank ich dem Boden entgegen. Saunders konnte seine Freude nicht verbergen.
Er lachte und sprach gleichzeitig hechelnd. »Der Dunkle Gral… du… du hast ihn. Aber nicht mehr lange. Ich werde ihn dir wegnehmen!«
Auch das noch. Seine Worte hatte ich wie durch einen Filter vernommen. Ich hämmerte mir ein, nur nicht bewußtlos zu werden, dann war alles verloren.
Irgendwie landete ich auf dem Boden. Dabei schwamm ich und wollte mit den Armen rudern, um mich zu halten. Daß mich die Wand am Rücken abstützte, bekam ich nicht mit.
Dafür spürte ich den Tritt.
Er traf meinen Brustkasten und schleuderte mich zurück. Ich fiel auf den Rücken, schlug noch mit dem Kopf auf und stellte jetzt fest, daß ich noch immer die Lampe hielt.
Sie strahlte Saunders zwar nicht direkt an, aber ich sah ihn trotzdem im Streulicht.
Er stand gebückt über mir. Den Gegenstand in seiner Rechten schleuderte er weg. Mit einem klirrenden Geräusch landete er irgendwo auf dem Steinboden.
»So!« keuchte Saunders. »Jetzt habe ich ihn. Ich brauchte nur mehr zuzugreifen. Nicht du, nicht van Akkeren, nicht Baphometh, ich bekomme das, von dem meine Vorfahren schon geträumt haben, den Dunklen Gral.«
Wie sich hektisch und fluchtartig bewegende Schlangen, so glitten seine Hände unter mein Jackett, um den Kelch an sich zu nehmen. Ich wollte mich wehren, aber der Treffer hatte mir einen Großteil meiner Kraft genommen. Bis ich mich einigermaßen erholt hatte, würden Minuten, wenn nicht noch mehr Zeit verstreichen.
Saunders fand, was er suchte. Mit beiden Händen umfaßte er den Gral und riß den Kelch unter meiner Kleidung hervor. Er sprang zurück, stach die Arme in die Höhe, so daß er eine triumphierende Haltung annehmen konnte, und legte auch den Kopf in den Nacken.
»Ich habe ihn!«
Er schrie nicht, er hatte rauh gesprochen. Der Triumph machte ihn fast stumm.
Einen Moment später aber geschah das Unglaubliche…
***
Suko hatte abgedrückt, weil er einfach keine andere Möglichkeit mehr sah. Die Kraft des Dämons war immens, er wollte Baphometh wenigstens noch van Akkeren entreißen.
Genau in
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