0500 - Der Dunkle Gral
dieses Bild verschwand sehr bald, denn der aufgewühlte Dreck bewegte sich von zwei Seiten auf ihn zu und überspülte sein Gesicht.
Den Mund hielt er geschlossen, dennoch fanden einige Krümel den Weg in seinen Mund.
Er schmeckte den Lehm, die Geräusche klangen dumpfer, seine Ohren verstopften allmählich, nur mehr der Brustkasten schaute aus dem alten Templer-Grab hervor.
Nach menschlichem Ermessen gab es für ihn keine Rettung mehr. Und Baphometh machte weiter.
Unter Sukos Kopf wühlte er die Erde auf, so daß der Schädel noch einmal sackte.
Diesmal schloß sich die Masse Lehm über ihm. Suko bekam das Gefühl, als würde auf seinem Gesicht eine Hand liegen, die die Erde noch einmal festdrückte.
Wie lange konnte ein Mensch dies aushalten?
Er wußte von seinem Freund John Sinclair, wie schrecklich es war, lebendig begraben zu sein. Aber John war damals gerettet worden und entkommen.
Ihm würde niemand helfen!
Suko war kein Supermann. Von seiner Ausbildung her entschied er sich von den Europäern. Bei der Erziehung verhielt es sich ähnlich. Er hatte es gelernt, sich zu beherrschen, Gefühle zu unterdrücken, Schmerzen ertragen zu können, dennoch gab es auch für Menschen wie ihn eine Grenze, und die war bald erreicht.
Er hatte Furcht. Sie ließ sich einfach nicht wegdiskutieren. Wenn er den Mund öffnete, würde Lehm hineindringen und die Mundhöhle ausfüllen wie eine Faust. Dann würde er elendig ersticken. Das gleiche geschah auch bei geschlossenem Mund. Was Suko auch anstellte, dieses Grab würde ihn umbringen.
Noch hielt er den Atem an. Er wollte einfach nicht aufgeben. Der Funke, die winzige Flamme am Leben zu bleiben, die war einfach vorhanden, aber der Druck von außen und auch der von innen verstärkten sich gleichermaßen.
Schon schrie jede Faser seines Körpers nach Luft, nach Atem. Seine Poren kamen ihm verstopft vor, da war nichts, was noch eindringen konnte, er hielt die Augen fest geschlossen. Lehm und Erde drückten auf seine Augäpfel, rote Kreise tanzten vor seinen Augen, die sich schon in zuckende, dunkle Schatten verwandelten.
Die Schatten waren die Vorboten des nahenden Todes. Sie Griffen nach ihm, huschten über seinen Körper hinweg, sie lagerten ihn ein, sie wollten, daß er sprach, den Mund aufriß, endlich den Schlußstrich zog, aber da war noch etwas.
Ein Widerstand!
Direkt unter ihm, und er hielt seinen Rücken abgestützt. Trotz seiner Furcht verspürte Suko dies überdeutlich. Hatte er bereits den Grund des Grabs erreicht?
Nein, das war nicht möglich. Und doch erlebte Suko ein Wunder.
Zwar stand sein Schädel dicht vor dem Zerplatzen, dennoch bekam Suko mit, wie etwas über sein Gesicht fächerte und die lehmigen Erdklumpen zu beiden Seiten nach unten rannen. Der Dreck beschmierte noch immer die Wangen, jetzt öffnete er den Mund - und bekam Luft!
Ja, er atmete!
Saugend, scharf, sich dabei drehend, als wollte er sich aus der nassen Erde hervorgraben. Seine Augen sprangen fast aus den Höhlen, er hatte sie weit aufgerissen und sah vor sich die schattenhaften Gestalten der Templer.
Er hörte auch ihre Schreie!
Es waren wilde, überraschte Rufe. Suko wußte noch immer nicht, was geschehen war, aber er war vorläufig gerettet worden.
Auch weiterhin blieb der Widerstand unter seinem Rücken. Er trug ihn praktisch, er wanderte aber auch. Etwas umklammerte Sukos Hüfte an der rechten Seite.
Eine Hand?
Nein, eine Klaue, die der Inspektor sah, als sie ihn losließ und aus der Graberde stieg.
Bleich war die Hand, bedeckt mit schmierigem Lehm, der lange Streifen hinterlassen hatte.
Es blieb nicht bei ihr. Ein Arm folgte, eine Schulter tauchte ebenfalls auf, sogar ein Kopf mit einem Gesicht.
Aus dem Grab stieg ein Zombie, ein lebender Toter!
Die Templer waren wieder erwacht!
***
Ich stand noch immer in Deckung der alten Kirchenmauer und tat nichts. Jetzt einzugreifen, wäre fatal gewesen. Irgendeine innere Stimme sagte mir dies. Möglicherweise ging diese Stimme auch vom Gral aus, bei ihm mußte man mit allem rechnen, jedenfalls traute ich mich nicht in den Kreis der Baphometh-Diener hinein und ließ auch Vincent van Akkeren in Ruhe.
Er hielt sich neben dem widerlichen und aufgeplustert wirkenden Dämon auf, wobei der blaue Lichtschein ihn streifte und hochreichte bis hin zu seinem Gesicht.
Mein Blickwinkel war nicht sehr gut. Ich konnte deshalb nicht erkennen, ob Suko bereits in der Graberde eingesunken war oder nicht, aber nicht weit entfernt lag Bill Conolly
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