0501 - Die Mord-Clique
lange Finger hatte. Überlang im Verhältnis zu seiner Körpergröße. »Aber ich lasse mich nicht von dir wegschicken!« fauchte er mich an.
»Es wäre besser, wenn du gehen würdest.«
»Nein!« Er huschte zurück und blieb neben einem dicken Baumstamm stehen. »Nein und nochmals nein.«
»Dann willst du ins Haus?«
»Natürlich.«
»Wie denn?«
»Ich werde schon einen Weg finden, ohne erst an der Tür klingeln zu müssen.«
Leider kam ich nicht mehr dazu, ihm eine Antwort zu geben, denn schnell wie ein Wiesel war er verschwunden. Er hatte wegen seiner Körpergröße gute Chancen, nicht entdeckt zu werden, tauchte geschickt unter und nutzte die Deckung der Baumstämme und die Finsternis aus.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Diese Reaktion hatte mir überhaupt nicht gefallen. Ich fand es auch ungünstig, daß hier ein Rächer umherlief, der versuchte, den Tod seines Freundes zu sühnen.
Kroppek konnte sehr viel Porzellan zerschlagen, und das war überhaupt nicht gut für Jane Collins oder Lady Sarah. Wenn sich die sechs Personen in die Enge getrieben fühlten, würden sie wahrscheinlich überhart reagieren und möglicherweise durchdrehen.
Ich kannte Menschen, die der Schwarzen Magie verfallen waren und von ihr beherrscht wurden. Die nahmen auf nichts und niemanden Rücksicht.
Das wollte ich verhindern.
Nach Kroppek zu suchen hatte keinen Sinn. Der Liliputaner würde seinen eigenen Weg gehen. Vielleicht trafen wir im Haus zusammen. Dort mußte ich ihn dann stoppen.
Bisher hatte mich, so hoffte ich wenigstens, niemand gesehen. Ich hatte zudem nicht vorgehabt, mich auf dem normalen Weg dem Haus zu nähern. Das verwildert anmutende Grundstück bot in der Tat genügend Deckung für einen Mann, der ungesehen ein Ziel erreichen wollte.
Es waren nicht nur die prächtigen Laubbäume, auch Büsche spendeten Schatten. Licht brannte nicht. Auf meinem Weg hatte ich nicht einmal eine Laterne gesehen.
Ich hatte das Licht durch die Dunkelheit schimmern sehen. Nur wenige Fenster waren erleuchtet. Sie zeichneten sich als helle Vierecke innerhalb der dunklen Haus wand ab.
Die Bäume wuchsen nicht bis dicht an die Hauswand heran.
Möglicherweise war es auf der Rückseite anders, ich aber näherte mich von vorn. Unter den Zweigen des letzten Baumes blieb ich stehen. Mein Blick glitt über die Fassade.
Sie war sehr dunkel, hatte Vorsprünge, auch mal einen Sims, aber keine Erker. An einer Seite wuchsen Pflanzen an der Mauer hoch.
Sie bildeten einen dichten Wirrwarr und krochen rechts und links eines Fensters weiter der Dachrinne entgegen.
Als grauer Umriß wölbte sich das Dach in die Höhe. Drei Gauben erkannte ich, dafür keine schrägen Fenster.
Neben der breiten Eingangstür, zu der drei Stufen hochführten, waren mehrere Fenster erleuchtet. Sie lagen auch nicht so hoch, als daß ich nicht hätte hindurchschauen können.
Ich warf noch einmal einen Blick in die Runde und startete. Geduckt überwand ich die Distanz bis zum Haus und blieb im Schatten der Mauer stehen. Mit der Schulter berührte ich den Stein, wartete zunächst einmal ab und lauschte in die Nacht hinein.
Meine dumpfen Schritte vorhin waren niemandem aufgefallen.
Mich irritierte kein außergewöhnliches Geräusch. Nur das Rauschen der Blätter erfüllte den Park, wenn der Wind durch die Baumkronen strich. Auch von Kroppek sah ich keine Spur.
Wenn er sich schon im Haus befand, dann war er auf der Rückseite hineingelangt.
Ich streckte mich und ging dabei ein Stück zur Seite, so daß ich in Höhe des Fensters stand. Mit beiden Händen umklammerte ich die Fensterbank, zog mich hoch und fand mit den Schuhspitzen an der rauhen Mauer einen relativ guten Halt. Die Fensterbank war sehr breit gebaut. Kein Blumentopf hinderte mich daran, mich vor ihr aufzubauen.
Glücklicherweise wurde die Scheibe von keinem Vorhang verdeckt. Ich konnte in das Hausinnere schauen und entdeckte eine ziemlich große Diele, schon mehr eine Halle, in der der Kamin auffiel und auch die sechs Sessel, die ihn im Halbkreis umstanden.
Zwischen ihnen und dem Kamin lag ein braunes Bärenfell.
Ich sah die Treppe, die nach oben führte und einige Türen im Hintergrund. Das alles war zweitrangig geworden, denn quer durch die Halle schritt ein Mann.
Er war schon älter, trug einen Hut. Unter der Krempe verdeckte eine dunkle Brille seine Augen. Da sich der Mann beim Gehen auf einen Stock stützte und diesen auch tastend führte, ging ich davon aus, einen Blinden zu sehen.
Er ging
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