0501 - Die Mord-Clique
quer durch die Halle und kannte sich auch aus, da er nicht einmal über den Rand einer der zahlreichen Teppiche stolperte.
Ich überlegte schon, ob ich mich bemerkbar machen sollte, als etwas anderes geschah.
Wie immer Kroppek auch ins Haus gelangt sein mochte, er war jedenfalls plötzlich da. Er hielt sich auf der breiten Treppe auf und schlich die Stufen hinab, um den Blinden genau in dem Augenblick zu überraschen, wenn dieser an der Treppe vorbei mußte.
Ich hätte auch nicht viel dagegen gehabt, wenn Kroppek sein verdammtes Messer nicht in der rechten Hand gehalten hätte und den Arm schon zum Wurf erhoben hatte.
Der Blinde würde keine Chance haben!
***
Manchmal können Gefühle einem Menschen gewaltige Kräfte verleihen. So war es auch Kroppek, dem Liliputaner, ergangen. Er hatte es geschafft, das Haus ohne großen Lärm zu betreten. An der Rückseite hatte er ein geeignetes Fenster entdeckt und in eine Scheibe mit einem Glasschneider ein Loch geschnitten. Er hatte nur seine Hand durch die Öffnung zu stecken brauchen, dann den Griff herumgedreht, einen Moment später war das Fenster offen.
Im Gang stehend, holte er seine kleine Leuchte hervor. Wie ein Geisterfinger zuckte der Lichtstrahl durch die Finsternis über den Boden, die alte Tapete und Tür.
Nur auf einen Menschen traf er nicht.
Kroppek wartete. Obwohl er sehr klein war, duckte er sich noch tiefer. Er kontrollierte seinen Atem, lauschte in die Finsternis und achtete auf jedes Geräusch.
Es war nicht totenstill in dem Haus. Irgendwo knackte und knisterte immer etwas. Entweder ein alter Balken oder ein Dielenbrett, das sich gelockert hatte.
Diese Geräusche wurden nicht durch menschliche Schritte verursacht, das hörte Kroppek genau heraus.
Bis zur Treppe ging er vor. Bis jetzt war er von niemandem entdeckt worden. Er blieb an der obersten Stufe stehen und schaute hinab in die Halle.
Dort unten brannte Licht. Es breitete sich so weit aus, daß es auch die untere Hälfte der Treppe erfaßte und die Stufen dort wie einen Schleier bedeckte.
Kroppek stand unter Dampf. Er konnte sich kaum beherrschen.
Seine Hände öffneten und schlossen sich. Schweiß bedeckte seine Haut. Seine Kleidungroch. Er trug einen engen Pullover und eine enge Hose. Als er nach dem Handlaüf des Geländers faßte, mußte er den Arm anheben, weil er zu klein war.
Kaum hatte er den Lichtschein erreicht, als er stehenblieb und sich noch tiefer duckte.
Unten waren Geräusche aufgeklungen. Zunächst klappte eine Tür, kurz danach vernahm er Schritte, deren Rhythums durch ein regelmäßiges Tack-Tack unterbrochen wurde und manchmal durch ein ungewöhnliches Schleifen.
Wer kam dort?
Noch konnte Kroppek die Person nicht sehen. Er wollte aber noch nicht in den Lichtschein hineintreten, so blieb er zunächst hocken und umklammerte mit beiden Händen zwei Geländerstäbe.
Durch die Lücke zwischen ihnen starrte er in die Halle hinab.
Zunächst sah er einen Schatten. Er hatte sich aus dem Hintergrund gelöst und bewegte sich auf die Hallenmitte zu. Der Schatten wanderte vor der Gestalt, die dann in seinem Blickfeld erschien. Ein Mann, der einen dunklen Hut trug, eine ebenfalls dunkle Brille aufgesetzt hatte und sich mit einem Blindenstock den weiteren Weg ertastete.
Nur ein Blinder?
Das Gesicht des Liliputaners verzerrte sich. Auch ein Blinder konnte töten. Und dieser Mann lebte hier im Haus zusammen mit den anderen Mördern. Auch er mußte bei der Tat anwesend gewesen sein.
Kroppek hatte Mühe, seine Erregung zu unterdrücken und sich nicht durch zu lautes Atmen zu verraten. Blinde haben oft ein empfindliches Gehör, das wußte er genau.
Ohne auch nur einmal Luft zu holen, richtete er sich vorsichtig auf. Mit einer Hand hielt er sich am Geländer fest und schielte über den Handlauf hinweg nach unten.
Noch stand er in der Dunkelheit, aber das brauchte er nicht. Der Blinde konnte ihn nicht sehen.
Kroppek wartete noch ein paar Sekunden. Sein Messer hatte er bereits gezogen. Er rechnete sich ungefähr die Zeit aus, wann der Blinde es geschafft haben könnte, in Höhe des Treppenendes zu gelangen. Wenn er dort stand, wollte der Liliputaner zuschlagen.
Die nächsten Sekunden vergingen. Die Laute des langsam dahergehenden Mannes steigerten sich.
Kroppek schob sich vor.
Er trat jetzt hinein in den Lichtschein, so daß sein Körper einen Schatten warf. Nach der dritten Stufe blieb er stehen.
Und der Blinde kam.
Er war völlig ahnungslos…
Über Kroppeks Gesicht lief
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