0502 - Die Disco-Hexe Tessy
lächeln, wobei sie noch über ihren Schenkel strich. »Es stimmt aber, ich steige aus dem Sarg. Ich komme wie eine Botin des Todes.«
»Und weshalb? Ist es nur der Effekt?«
Sie blickte mich aus großen, beinahe unschuldigen Augen an.
»Auch, natürlich. Zudem müssen wir den Besuchern etwas bieten. Wer in unsere Show kommt, der weiß genau, daß ihn etwas Besonderes erwartet. Aber ich schöpfe auch Kraft aus dem Sarg.«
Tessy hatte den letzten Satz sehr ernst gesprochen. Dennoch konnte ich ihr nicht recht glauben. »Wieso Kraft aus einem Sarg? Es ist eigentlich umgekehrt. Man wird in einen Sarg gelegt, wenn man nicht mehr ist. Jetzt wollen Sie daraus Kraft schöpfen.«
»Ja. Dieser Sarg ist etwas Besonderes.«
»Meinen Sie das Material?«
»Sinclair – bitte.« Sie hob die Arme, dabei spannte sich ihr Oberkörper, auch der Umhang klaffte vorn wieder auf.
»Was soll das?«
»Sie sind furchtbar, John. Ich habe Sie doch nicht eingeladen, damit wir über Särge sprechen.«
»Über was dann?«
»Was können schon zwei Leute miteinander reden, wenn sie sich mögen. Ich mag dich John.« Sie streckte ihre Arme vor, damit sie mich mit den Fingerspitzen berühren konnte.
Ihre Hand lang auf meinem Knie, rutschte dann langsam höher.
Ihr Gesicht zeigte jetzt einen fast weichen Ausdruck.
Tessy Lamar war ein Vamp, der alles einsetzte, um mich einzuwickeln.
»Das war eigentlich nicht der Grund meines Kommens«, erklärte ich ihr. »Tut mir leid…«
»Ich weiß, weshalb du kamst.« Sie erhob sich. »Aber darüber reden wir später – einverstanden?«
»Wann wird das sein?«
»Das kommt auf dich an.« Tessy sprach, als sie an mir vorbeischritt. Der Stoff des Umhangs berührte meine Beine wie eine dünne Fahne. Die Sängerin ließ sich von meinem Widerspruch nicht beirren. Sie zog ihre Schau weiter ab, holte aus einem schmalen Karton drei Kerzen und steckte sie in halbrunde Messinghalter. Sie zündete die Kerzen an, löschte das normale Licht und stellte sich so in den Kerzenschein, daß dieser auch durch ihr Gesicht fließen konnte. Er streifte noch den Hals, glitt über den Umhang, schuf wandernde Reflexe, die sogar die Füße erreichten.
»Gefällt es dir so besser?«
»Es ist dunkler.«
Tessy lachte leise. »Du bist sehr romantisch, John. Viele Männer würden ein Vermögen ausgeben, um mit mir hier im Wohnwagen allein sein zu können – aber du?«
»Erstens bin ich nicht reich, und zweitens habe ich eine Aufgabe zu erfüllen. Außerdem kann ich nicht vergessen, wie ich von Ihren drei Helden empfangen worden bin. So etwas mag ich auf den Tod nicht. Ich hasse diese Art von Empfang.«
»Es war ein Versehen.«
Sie log, ohne rot zu werden. »Versehen? Für wen war dieser Empfang dann bestimmt?«
»Du mußt das verstehen. Ich habe viele Fans, die unbedingt einen Blick in den Wagen werfen wollen. Das aber will ich nicht. Ich suche mir die Männer aus…«
»Wie Kid Fox!«
»Ja, auch ihn.«
»Was ist mit ihm passiert?«
»Es geht ihm gut.« Tessy nickte zu ihren Worten. »Wirklich, er befindet sich in einer hervorragenden Lage…«
»Wo steckt er?«
»Nicht bei mir…«
»Das sehe ich. Aber Sie wissen genau, wo er hingegangen ist. Ich bin gekommen, um ihn zu finden. Und ich werde nicht eher verschwinden, bis ich weiß, wo er sich befindet.«
»Hast du ihn denn nicht gesehen?«
»Wann?«
Tessy lachte wieder kehlig. »Du warst doch bei dieser kleinen Hure, dieser Susan Holmes.«
»Natürlich. Ich sah aber nicht Kid Fox, nur noch seinen Geist oder seinen feinstofflichen Körper. Das ist ein Unterschied. Wir haben auch seine Leiche nicht gefunden und können davon ausgehen, daß er noch am Leben ist. Ich will ihn finden!«
Tessy Lamar hatte zugehört. Jetzt breitete sie die Arme aus. Daß ihr Mantel dabei aufklaffte, störte sie nicht. »Bitte, schau dich um. Du kannst den Wohnwagen durchsuchen, aber du wirst ihn nicht finden, John. Bestimmt nicht.«
»Hast du ihn getötet?« Ich wurde direkt.
»Nein!«
»Was hast du mit ihm gemacht?«
»Nichts.« Sie hob die Schultern. »Überhaupt nichts. Ich habe mich nur ein wenig um ihn gekümmert und ihm einen Weg gezeigt, den er gehen muß.«
»Wohin führt dieser Weg?«
»In eine andere Welt.«
»In die des Teufels?«
»Du bist gut, Geisterjäger. Ja, du kommst der Sache schon näher. Ich habe ihn in die Hölle geschickt.« Sie verzog die Lippen. Es machte ihr Spaß, so mit mir zu reden.
Obwohl mich die Antwort aufgeregt hatte, blieb ich gelassen.
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