0502 - Die Disco-Hexe Tessy
wäre sie von einem Orkan gepackt worden.
Die Haare, bisher wie zwei steife Flügel vom Kopf wachsend, begannen zu flattern. Sie riß die Arme hoch, als wollte sie sich mit den Fingern irgendwo festkrallen, und spreizte auch die Beine, aber es gab nichts, was ihr Halt gegeben hätte.
Die Kräfte der Hölle waren stärker. Sie holten ihre Dienerin in die ewige Verdammnis.
Noch einmal gelang es mir, einen Blick in ihr Gesicht zu werfen, obwohl sie mir weit entfernt schien. Ich sah den Schrecken darin, auch die Überraschung und ebenfalls die Verzweiflung. Ich bekam Mitleid, aber ich konnte nichts für sie tun.
Mich griffen die Kräfte nicht an. Ich stand wie der berühmte Fels in der Brandung. Gewaltige Wirbel umtosten mich. Mein Kreuz schützte mich davor, es war mein großer Trumpf, zusammen mit dem Dunklen Gral, dessen Geheimnis ich mittlerweile auch kannte.
Tessy Lamar kam nicht mehr zurück. Von irgendwoher griffen die Schatten zu wie Hände. Was der Teufel da auf die Reise geschickt hatte, war nicht genau zu erkennen. Jedenfalls gehörten sie zu ihm, und sie holten auch seine Dienerin.
Das letzte, was ich von Tessy Lamar hörte, war ein gewaltiger Schrei, dann hatte das Dunkel sie gepackt.
Ich aber stand. Und ich stand noch, als die Kraft des Kreuzes zusammenfiel und die Umgebung allmählich eine andere, normale Form annahm. Ich sah mich um und hätte am liebsten gelacht, denn ich fand mich dort vor, wo ich auch eingestiegen war.
Im Sarg und auch im Wohnmobil. Passiert war mir nichts. Wieder einmal war ich mit dem Schrecken davongekommen.
Andere hatten weniger Glück gehabt.
Nicht nur Tessy, auch der Musiker, der Ähnlichkeit mit Frankenstein aufwies, und natürlich Kid Fox.
Etwas deprimiert verließ ich die schwarze Totenkiste, der ich die Magie genommen hatte.
Ich verließ auch den Wohnwagen, fand die beiden Musiker noch immer bewußtlos und entdeckte nach einigem Suchen auch eine Telefonzelle.
Als ich bei Susan Holmes anrief, meldete sich eine Männerstimme.
Ich erkannte Mike Fox.
»Ich bin’s, Sinclair.«
»Sie leben?«
»Ja!«
»Und mein Sohn?«
Verdammt, ich mußte schlucken und konnte einfach keine Antwort geben. Der Kloß war zu dick.
Mike Fox verstand. »Sie haben es also nicht geschafft?«
»Im Prinzip doch«, erwiderte ich leise. »Aber Ihr Sohn hat den bitteren Preis bezahlen müssen. Es… tut mir leid …«
Ich hörte ihn stark atmen, dann sagte eine rauhe Stimme. »Ja, danke, daß Sie angerufen haben.« Er legte einfach auf.
Ich blieb noch in der Zelle stehen. Sie roch nach kaltem Rauch. Ich preßte meine Stirn gegen die Glaswand und starrte auf den schmutzigen Boden.
Immer wieder gibt es Situationen, in denen man sich wie zerquetscht fühlt. So erging es mir. Als ich die Tür öffnete und die Zelle verließ, begann es zu regnen. Es paßte zu meiner Stimmung. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging den Weg wieder zurück.
Den beiden Bewußtlosen legte ich Handschellen an und zerrte sie in den Wagen.
Dann setzte ich mich an den Tisch, starrte auf den verfluchten Sarg und wartete auf Suko.
Er würde irgendwann erscheinen und mich abholen. Daran glaubte ich fest…
ENDE
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