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0504 - Lorna, die Löwenfrau

0504 - Lorna, die Löwenfrau

Titel: 0504 - Lorna, die Löwenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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übertönt.
    »Du wolltest nicht, Ab, aber ich gebe dir eine Chance. Du kannst fliehen, hörst du?«
    Er schüttelte den Kopf, war so weit zurückgegangen, bis er mit dem Rücken das weiße Regal beruhte. Einige Taschenbücher fielen um. Eines rutschte zu Boden. Er preßte sich noch härter gegen das Regal. »Wo… wo soll ich hin?«
    »Gibt es hier keine Fenster?«
    Ab erschrak. Sein Blick glitt gegen die große Scheibe. »Wieso? Soll ich mich in die Tiefe stürzen?«
    »Wenn du willst, Ab.« Sie schüttelte den Kopf. Wieder flog die Mähne Ihre Arme zuckten. Ein Blick auf Lornas Hände bewies Ab, daß sich diese allmählich zu Tatzen verformten, die auch scharfe Krallen bekommen hatten. Mit denen würde sie so spielerisch leicht schlagen können und doch so schreckliche Wunden hinterlassen.
    »Ich springe nicht in die Tiefe! Nein!« schrie er. »Das nicht. Ich werde…«
    »Du kannst auf dem Sims bleiben, Ab! Geh um dein Penthouse. Wenn du es schaffst, werde ich dir die Frage noch einmal stellen. Jetzt kannst du beweisen, daß du kein Versager bist, Ab Duncan.«
    Der wußte nicht, ob dieses Wesen vor ihm es ernst gemeint hatte, aber Lorna setzte sich in Bewegung. Sie ging mit lässig anmutenden Schritten dorthin, wo sich der Kontakt befand, um die Scheibe öffnen zu können.
    »Ich mache dir sogar den Weg frei.«
    Ab Duncan schluckte. Wie sollte er sich entscheiden? Die Frau kam näher. Nein, sie war keine Frau mehr. Die Bestie hatte die Oberhand gewonnen. Ihre Finger konnte sie längst nicht mehr spreizen, weil sie mittlerweile zu Tatzen geworden waren. Aber aus ihnen leuchteten die Krallen hervor. Sie sahen aus wie gekrümmte Messer.
    »Wenn du nicht nach draußen kletterst, Ab, werde ich dich mit diesen Pranken zerfetzen. Du hast Bilder von meinem Gatten gesehen. Du wirst ähnlich aussehen.«
    »Ja, das habe ich.«
    »Weshalb wartest du dann noch, Ab?«
    Er mußte diese Person einfach ansehen. So wie sie vor ihm stand, erinnerte sie ihn an eine ägyptische Sphinx, an die Frau mit dem Löwenschädel.
    »Geh!« flüsterte sie hart. »Geh endlich!«
    Ab setzte sich in Bewegung. Er wollte nicht unter diesen gnadenlosen Prankenhieben sterben. Obwohl er nur langsam und mit zitternden Knien daherschlich, hatte er das Gefühl, als wäre die Strecke zum Fenster noch nie zuvor so kurz gewesen.
    Lorna blieb stets in seinem Blickfeld. Die Löwenfrau wußte genau, was sie tat, und sie blieb auch nicht stehen, als Ab seine Schritte stoppte.
    Wenn er jetzt den nächsten vorging, würde er nach draußen treten, dann war alles vorbei.
    »Zögerst du noch immer?«
    Er drehte sich um. »Okay, du hast gewonnen. Ich werde die Polizei nicht anrufen. Du kannst gehen…«
    »Aber Ab, mein kleiner Versager. Das ist vorbei. Du hättest dich vorher entscheiden müssen. Jetzt ergreife die winzige Chance, die ich dir biete. Ergreife sie, sonst ist dein Leben beendet. Versager sterben schnell.«
    »Was geschieht, wenn ich draußen bin?«
    »Wirst du mit dem Wind zu kämpfen haben. Sei froh, daß es nicht stürmt. Ich erwarte dich hier.«
    »Du wirst mich hinunterstoßen, nicht wahr?«
    »Wer sagt das?«
    »Ich fühle es. Ich…« Ab verstummte, weil er den leichten Druck der Pranken in seinem Rücken spürte. Es kam ihm vor wie ein Abwarten. Jeden Augenblick konnte die Löwenfrau hinter ihm ernst machen und ihn mit Schwung aus dem Fenster und dabei auch über den Sims hinweg in die Tiefe schleudern.
    Das war immerhin die Höhe von sechs normalen Stockwerken…
    »Wie fühlst du dich, Versager?« fragte sie flüsternd. »Los, gib mir eine Antwort.«
    Ab Duncans Kehle war trocken. Wenn er Luft holte, dann nur durch die Nase. Er spürte den Wind, der ihm ins Gesicht blies.
    Plötzlich kam er ihm stärker vor als sonst. Er hatte den Eindruck, als wollte ihn der Wind von den Beinen holen und wegtragen. Irgendwohin, hinein in die Unendlichkeit, ins Nirwana.
    Der Druck in seinem Rücken nahm zu. Etwas riß. Das Geräusch ging ihm durch und durch. Es war Stoff, den die Krallen zerfetzt hatten. Noch war es nur das Hemd gewesen.
    »Beim nächsten Mal zerreiß ich dir die Haut«, versprach die Löwenfrau. Sie lachte noch.
    »Ich gehe schon.« Er sagte den Satz mit fremder Stimme. Plötzlich fingen seine Augen an zu tränen. Möglicherweise lag es am Wind, der in sein Gesicht schnitt.
    Angst peitschte in ihm hoch.
    Heiße, würgende Angst. Er senkte den Kopf und schaute in die Tiefe. Beinahe hatte er das Gefühl, als würde sich unter ihm eine

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