0504 - Lorna, die Löwenfrau
sie sich mir nie. Da war immer ein Schatten, der ihre Seele umgab. Sie wollte nie so recht mit der Sprache heraus.«
»Sie und ihr Mann kamen aus Afrika?«
»Dort arbeiteten sie. Mr. Delaney war Arzt, seine Frau Krankenschwester, eine hervorragende Ergänzung. Später – in London – fingen sie beide in der Klinik des Dr. Lataresse an.«
»Wer ist das?«
»Ich glaube, er ist Franzose.«
»Besitzt er eine Privatklinik?«
»So ist es.«
»Und womit beschäftigt er sich?«
Der Anwalt drückte sich ein wenig um die konkrete Antwort herum. »Das ist schwer zu sagen, wissen Sie. Jedenfalls ist er kein Schulmediziner, obwohl er so einmal angefangen hat. Er behandelt seine Patienten mehr nach anderen Methoden.«
»Ist er ein Heilkundiger?«
Ab Duncan nickte. »In diese Schublade könnten Sie ihn stecken, Inspektor.«
»Was ist mit seinen direkten Methoden?« hakte Suko nach.
»Soviel ich gehört habe, fallen sie etwas aus dem europäischen Rahmen. Dr. Lataresse war lange in Afrika. Dort hat er vieles gelernt, was er hier anwendet.«
»Mit Erfolg?«
»Darüber habe ich mit Lorna Delaney kaum gesprochen. Wir hatten andere Probleme.«
»Wie stand sie zu ihm?«
»Gut. Sie hat ihn verehrt.«
»Könnte diese Verehrung ein Mordmotiv gewesen sein?«
»Weiß ich nicht.«
»Aber Sie haben sich Ihre Gedanken darüber gemacht?«
»Richtig. Ich nehme an, daß Daniel Delaney sterben mußte, weil er hinter das schreckliche Geheimnis seiner Frau gestiegen ist. Ein anderes Motiv kann ich mir nicht vorstellen.«
»Könnte dieser Dr. Lataresse eingeweiht gewesen sein?«
»Da bin ich überfragt.«
»Es wäre aber möglich?«
Duncan hob die Schultern. »Möglich ist alles, Inspektor. Das wissen Sie aus Ihrem Job auch.«
»Ja, stimmt.«
»Was haben Sie jetzt vor, Inspektor?«
»Sie zunächst aus der Schußlinie lassen.«
»Gut, okay, ich habe nichts dagegen. Aber werden Sie denn mit Lorna fertig?«
»Das denke ich schon.«
Der Anwalt schaute sich um. »Wie sind Sie überhaupt hier hochgekommen? Ich meine, Sie müssen doch gesehen haben, daß ich…«
»Ja, von unten.« Suko lächelte. »Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, mir das Haus, dem ich einen Besuch abstatte, genau anzuschauen. Ich stand also unten und sah Sie auf dem Sims stehen. Das war wegen des hellen Fensters in Ihrem Rücken deutlich zu erkennen. Den Rest konnte ich mir denken.«
»Sie sind durch das Treppenhaus gekommen und haben die Luke gefunden, die zum Dach führt.«
»Richtig.«
Duncan schritt auf die geöffnete Klappe zu. Nicht weit entfernt stach der Stummel eines Kamins in die Höhe. Um ihn hatte Suko auch das Seil gewickelt. »Manchmal muß man Glück haben«, sagte er. »Ich fand es auf meinen Weg nach oben.«
»Ja, das hängt dort immer. Es stammt noch von meinem Vater. Er hat es im Treppenhaus gelassen, weil er damit rechnete, sich irgendwann einmal abseilen zu müssen.«
»Gut, ich kümmere mich um…«
Da hörten sie die Stimme der Frau. Sie klang unter ihnen auf und war nur mehr ein Kreischen. »He, Versager, wo steckst du?«
»Damit meint sie mich«, flüsterte Duncan.
Suko bedeutete ihm, zurückzubleiben, während er sich der Dachkante näherte. Das Seil hatte er mitgenommen. Er kniete nieder und schaute an der Hauswand entlang.
Von Lorna Delaney war nichts zu sehen. Suko hörte sie nur.
»Keine Sorge, Duncan, ich kriege dich schon. Vielleicht bist du weiter gelaufen, als ich dachte. Na ja, wir werden sehen.«
Wahrscheinlich verschwand sie jetzt. Das war für Suko eine günstige Gelegenheit.
Sein Plan war nicht ungefährlich. Er schleuderte das Seil über die Kante und konnte genau erkennen, wie es auf den Sims klatschte und dort liegenblieb.
In der nächsten Sekunde seilte er sich ab. Mit geschickten Bewegungen und rasch angelnd glitt er an der Hauswand entlang, genau zwischen zwei Fenstern.
Ungefähr dort, wo er Duncan von dem Mauervorsprung weggeholt hatte, traf auch er auf. Bemerkt hatte Lorna nichts von seiner waghalsigen Aktion, sie zeigte sich an keinem Fenster.
Suko preßte sich gegen die Wand. Im Gegensatz zu Duncan blieb er cool. Der Inspektor war aus einem anderen Holz geschnitzt. Lorna hatte ihm sogar einen Gefallen getan und eines der beiden Fenster nicht geschlossen.
Besser hätte es für ihn nicht laufen können. Suko brauchte nur zwei gleitende Schritte, um das offene Fenster zu erreichen, hinter dem die Gardinen zur Seite gezogen waren, so daß der Wind sie ins Zimmer blähen konnte.
Es war ein
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