0505 - Der japanische Geist
kam.
Fotographen verließen ihre Plätze und drängten sich vor. Ein Gewitter aus Blitzlichtern ging über Rammbock nieder, als er die Halle betrat. Die in der Nähe sitzenden Zuschauer sprangen von ihren Plätzen. Es gab die erste »standing Ovations« für den Meister, der seine Schrittfolge nicht veränderte und auch weiterhin mit schaukelnden Bewegungen den gleißenden Höllenzirkus betrat.
Sein Name wurde gerufen. Die Lautsprecherstimme war verstummt. Wahrscheinlich bekam der Mann die neuesten Informationen und gab sie Sekunden später durch.
Diesmal hatte er seine Stimme noch stärker erhoben. Er überschlug sich fast dabei, als er den Meister ankündigte und dessen Siege aufzählte. Seine Stimme ging im orkanartigen Beifall unter.
Die Bodyguards hielten sich in Naginatas Nähe. Keiner durfte ihn berühren, obwohl sich ihm Hände entgegenstreckten. Viele wollten ihn anfassen, doch die Männer schlugen die Finger rücksichtslos zur Seite. Sie wußten genau, was sie dem Star schuldig waren.
Das Gesicht des Sumo-Ringers blieb ausdruckslos. Niemand konnte erkennen, welche Gefühle in seinem Innern aufbrandeten. Die Augen blieben ebenfalls neutral.
Seine Leibwächter schirmten auch den letzten Rest des Weges ab, der ihn zum Ring führte. Über eine stabile Treppe stieg er hoch.
Zwei Männer hielten die Seile auseinander, damit der Meister ohne Schwierigkeiten in das Viereck klettern konnte.
Dort wartete Tisho.
Er saß auf einem kleinen Hocker. Den Bademantel hatte er bereits zur Seite gelegt. Er trug eine schärpenartige, rote Hose, die sehr knapp saß und nur wenig verhüllte. Die Oberschenkel und Pobacken lagen zum größten Teil frei. Der Körper schien nur aus Speckrollen zu bestehen.
Sein Kopf war nicht kahl. Die wenigen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der lang im Nacken hing.
Sein Gesicht glänzte schweißnaß. Der Mund stand offen. Auf den kaum erkennbaren Lippen schimmerten kleine Speichelbläschen.
Mit seinen Knopfaugen starrte er den Rammbock böse an.
Naginata kümmerte sich nicht um ihn. Er ließ seinen Mantel von den Schultern gleiten. Bevor dieser noch zu Boden fallen konnte, fing ihn ein Helfer auf und schaffte ihn weg.
Jetzt präsentierte sich der Rammbock seinen Fans.
Und die tobten. Sie waren schier aus dem Häuschen, als der Rammbock die starken Arme hochriß, sich dabei drehte und nach allen Seiten hin grüßte.
Es war sein Kampf.
Ein Ringrichter erschien. Auch kein schmächtiger Mann. Trotzdem wirkte er im Vergleich zu den beiden Sumo-Ringern klein und schmal. Auf ihn hörte man.
Beide Kämpfer holte er zu sich, er erklärte noch einmal die wichtigsten Regeln, und die Ringer hörten ihm zu, ohne daß sie seine Worte richtig wahrgenommen hätten. Sie kannten das Spiel längst.
Nach einer Weile trat nicht nur der Ringrichter zurück, auch die beiden Ringer veränderten ihre Haltung.
In der Halle wurde es still. Das Publikum kannte sich aus. Ein jeder wußte, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis der Kampf begann. Steigende Spannung breitete sich aus. Die Gesichter der Zuschauer wirkten angestrengt. Mal ein verzerrtes Lächeln, ein geflüstertes Wort, ein hastiger Blick ins Programm, oder ein Schauen in die Runde.
Das Ringviereck lag im Kegel der vier Scheinwerfer, die sich darüber trafen. Kameras surrten. Ein Privatsender übertrug den Kampf.
Die Ringer kümmerte das nicht. Sie verbeugten sich voreinander und deuteten mit dieser Geste den Respekt an, den sie dem anderen entgegenbrachten.
Die Hocker waren aus dem Ring genommen worden. Der neutrale Ringrichter baute sich an einer Seite auf.
Er hob den rechten Arm, ein Vorzeichen.
Die Stille in der Halle wurde noch drückender – und löste sich als gewaltiger Schrei, als die beiden Sumo-Ringer aufeinander zustürmten…
***
Sie hatten die gleichen Haltungen eingenommen. Liefen noch immer tapsig und schaukelnd, hatten die Arme vorgestreckt und gleichzeitig etwas angewinkelt, so daß sie an fette Tentakel eines übergroßen Kraken erinnerten.
Dann prallten sie zusammen.
Das Klatschen, das dabei entstand, hörten selbst die Zuschauer in den oberen Rängen, denn der erste Anfeuerungsschrei war abermals einer atemlosen Stille gewichen.
Keiner ging auch nur einen Zentimeter zurück. Der Rammbock und auch Tisho hatten die Aufprallwucht hervorragend ausgleichen können. Naginata wollte sofort zeigen, wer Herr im Ring war. Seine dicken Finger drückten sich in die Fleischwülste an den Schultern
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