0505 - Der japanische Geist
werden, und zwar von Spezialisten.
Der junge Arzt war sehr nachdenklich geworden, als er sich im Sanitätsraum auf eine schmale Holzbank setzte und zu Boden schaute. Er hatte den Kampf gesehen und versuchte jetzt, sich an Details zu erinnern. Soweit er es beurteilen konnte, war der Kampf tatsächlich normal verlaufen, bis zu dem Zeitpunkt, als Tisho auf seinem Gegner gehockt hatte. Da war dann eine Wende eingetreten.
Weshalb?
Es mußte doch bestimmt einen Film über den Kampf geben. Jede hochkarätige Sportveranstaltung wurde aufgenommen. Ein privater Sender hatte den Kampf übertragen. Vielleicht war es sogar möglich, an die Aufzeichnung heranzukommen.
Dabei mußte ihm die Polizei helfen.
Je mehr er darüber nachdachte, um so stärker gelangte er zu der Überzeugung, daß nicht alles bei diesem Kampf mit rechten Dingen zugegangen war.
Er verließ den Raum und hatte die Tür kaum geöffnet, als schon jemand vor ihm stand.
Es war Igeno, der Manager des Siegers.
»Wollten Sie zu mir?«
»Ja, Mister…«
»Ich heiße Madson. Jack Madson.«
»Gut, Doktor.« Igeno lächelte. Er machte einen etwas verlegenen Eindruck. »Vielleicht war ich vorhin am Ring zu abrupt oder zu hart. Ich muß Ihnen gestehen, daß auch mir der Tod des Ringers an die Nerven gegangen ist. Bitte entschuldigen Sie meine Reaktion.«
»Natürlich.« Madson lenkte zwar ein, seine Haltung jedoch blieb sehr kühl. »Es ist Ihnen doch klar, Mr. Igeno, daß ich den Leichnam untersuchen lassen werde.«
»Damit rechne ich. Wird man etwas anderes finden?«
»Ich weiß es nicht. Nach wie vor gehe ich davon aus, daß Tisho erstickte.«
»Für mich ist es ein Rätsel.«
»Und für mich eine Tatsache. Ich werde mir auch…« Dr. Madson schluckte die folgenden Worte rasch hinunter.
»Was werden Sie, Doktor?«
Madson winkte ab. »Nichts von Bedeutung.« Er nickte dem Japaner zu. »Wir sehen uns noch.« Dann ging er, begleitet von den mißtrauischen Blicken des Managers.
Igeno wandte sich ab. Er wußte, was passiert war. Der japanische Geist stand auf ihrer Seite. Nur wollte er nicht, daß es zu früh bekannt wurde.
Sollte der Arzt in Dingen herumrühren, die noch nicht spruchreif waren, mußte er die Konsequenzen tragen.
Das bedeutete seinen Tod!
***
»Wo ist denn John?« fragte Glenda Perkins, als Suko an diesem Morgen allein das Vorzimmer betrat.
»Im Bett!«
»Hä?«
Der Inspektor lachte. »Ja, er fühlte sich nicht wohl.«
»Ach so.« Glenda sah aus, als würde sie es nicht glauben, doch Suko wiegelte ab. »Keine Sorge. Soweit ich weiß, liegt er allein in den Federn.«
»Das habe ich nicht so…«
Suko tätschelte Glendas linke Wange. »Hör auf, Mädchen, ich kenne dich. Du hast schon Nachtischgedanken gehabt. Aber mal ehrlich, wieder etwas Neues?«
»Jawohl.«
»Braun und blau?« fragte Suko.
Glenda verdrehte die Augen. »Du sprichst schon wie John. Blau und Braun heißen in diesem Herbst die Modefarben neben einem gepflegten Grau. Hast du das nicht gewußt?«
»Nein.«
»Dann kümmere dich mal um die Mode und meckere nicht immer.«
»Das tue ich ja nicht. Mir fiel nur auf, daß der braune Rock irgendwie komisch zu deinem blauen Pullover aussieht.«
»Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Modemuffel.«
»Vielleicht. John hat mir mal gesagt, daß er dich am liebsten in luftiger Sommerkleidung sieht.«
»Du nicht auch, Suko?«
»Na ja, ich meine…«
Glenda lachte. »Hör auf, den Harmlosen zu spielen. Geh in dein Büro, ich habe den Tee fertig.«
Suko setzte sich hinter den Schreibtisch. Johns Platz blieb leer.
Vielleicht würde der Geisterjäger im Laufe des Tages noch erscheinen. Mit dem Ellbogen stieß Glenda die Tür auf. Sie balancierte die Teekanne und eine Tasse auf dem kleinen Tablett, stellte es ab und fragte: »So, was ist denn nun mit John?« Ihre Stimme hatte einen besorgten Unterton bekommen.
Suko nahm Tasse und Kanne vom Tablett. Er schenkte den Tee ein. »Er fühlte sich nicht wohl…«
»War ihm schlecht?«
»Nicht so direkt. Er war sehr matt, hatte sogar Mühe, aufzustehen. Das sah mir nach einer schweren Erkältung oder nach einer Grippe aus. Er hat sich auch gestern abend sofort hingelegt.«
»Dann schaukeln wir die Sache eben allein.« Glenda setzte sich auf Johns Sitz. »Hat es Sinn, wenn ich ihn anrufe?«
»Nein, laß mal. Ich glaube, er schläft.«
»Gut.«
Suko nahm die ersten Schlucke und schaute, als er die Tasse absetzte, zur Verbindungstür, denn aus dem Nebenzimmer waren Schritte
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