0505 - Der japanische Geist
Hinter ihm schien die Sonne durch das Fenster. Die trüben Wolken des frühen Vormittags hatten sich verzogen, frühherbstlich warme Strahlen tupften gegen den Rücken des Inspektors.
Daran dachte er nicht. Seine Gedanken drehten sich einzig und allein um Shaos Nachricht.
Was hatte sie ihm mit dieser Information sagen wollen? Suko sah sie als eine Warnung an. Der japanische Geist mußte eine Gefahr darstellen, von der Shao etwas wußte, aber Suko noch nicht.
Glenda betrat das Zimmer und wunderte sich über Sukos Zustand. »Was ist geschehen?«
Der Inspektor winkte ab. »Ich habe eine Nachricht von Shao bekommen.«
»Was?«
»Ja, lies es selbst.«
Auch Glenda erschrak und konnte sich über die Nachricht nur mehr wundern. »Das verstehe ich nicht!« flüsterte sie. »Der japanische Geist. Kannst du etwas damit anfangen?«
»Nein.«
»Und was jetzt?«
Suko hob die Schultern. »Wie die Nachricht hierhergekommen ist, kann ich nicht sagen. Shao wird sie nicht umsonst geschickt haben. Da steckt etwas dahinter.«
»Eine große Sache.«
»Das nehme ich an.«
Glenda räusperte sich. Sie strich durch ihr schwarzes Haar. Es war etwas gegelt worden und zeigte jede Menge Strähnen. »Da ist noch etwas, Suko. Eine andere Sache. Vorhin rief der Kollege Bingham an. Er hatte einen Besucher namens Dr. Madson und wußte nicht so recht, was er mit ihm anfangen sollte, denn das Problem, das Madson vortrug, war ihm nicht realistisch genug.«
»Jetzt hat er Madson hergeschickt?«
»Ja.«
Suko krauste die Stirn. »Das gefällt mir eigentlich nicht. Hast du dich erkundigt, worum es geht?«
»Ja, um Mord, der nicht so einfach einzuordnen ist.«
Suko hob die Schultern. »Es ist mein Job, obwohl mir jetzt andere Dinge durch den Kopf gehen.«
»Dann kann ich dem Kollegen Bingham Bescheid geben?«
»Tu das.«
Glenda verschwand, Suko wartete. Dabei drehten sich seine Gedanken um Shao und ihre geheimnisvolle Botschaft. Sosehr er auch knobelte, er bekam kein Resultat.
Es klopfte. Glenda brachte einen noch jüngeren Mann herein, dessen dunkles Haar zu einer Cäsarenfrisur geschnitten worden war. Er trug ein kariertes Jackett, eine blaue Hose und ein am Hals offenstehendes Jeanshemd.
»Dr. Madson«, stellte Glenda den Besucher vor, dem Suko die Hand entgegenstreckte.
Auch er wurde vorgestellt. Glenda fragte nach Kaffee, doch Madson lehnte ab.
»Was kann ich für Sie tun?« Suko kam ohne Umschweife zur Sache.
Madson lächelte etwas schüchtern. »Ich bin Arzt, wissen Sie, und ich habe einen bestimmten Verdacht, über den ich mit ihrem Kollegen reden wollte. Ihn allerdings konnte ich nicht so recht überzeugen.«
»Um was ging es denn?«
»Es geht um einen Toten, der meiner Ansicht nach ermordet wurde, obwohl nichts darauf hinwies.«
»Das ist auch schwer zu glauben.«
»Sicher, das kann ich als Arzt ebenfalls gut beurteilen. Weil ich Arzt bin, wurde ich mißtrauisch.«
»Wo ist die Person denn gestorben?«
»Im Ring.«
»War der Mann Boxer?«
»Nein, Ringer. Sumo-Ringer.«
Suko schaute auf. »Moment mal. Meinen Sie vielleicht diesen Ringer Tisho, über dessen Tod die Presse berichtete?«
»So ist es.«
Suko überlegte. Auch er hatte davon in den Zeitungen gelesen. Die genaue Todesursache hatten die Reporter nicht ans Tageslicht gezerrt. Offiziell hieß es, daß Tisho an einem Herzschlag gestorben war. Darauf sprach Suko seinen Besucher auch an, der aber lachte nur.
»Inspektor, ich bin Arzt. Ich war nicht nur als Zuschauer beim Kampf. Ich bin als Ringarzt eingestellt worden und war der zweite bei diesem Mann. Ich habe ihn untersucht.«
Suko beugte sich vor. »Und was stellten Sie fest?«
»Er ist nicht an einem Herzschlag gestorben, der Tod trat auf eine andere Art und Weise ein.«
»Und auf welche?«
»Er ist erstickt.«
Dr. Madson hatte den Satz mit einer Bestimmtheit gesagt, die Suko bewies, daß er sich in diesem Fall nicht irrte. Die beiden Männer schauten sich gegenseitig an. Keiner senkte den Blick, bis Suko schließlich nickte. »Okay, er ist also erstickt.«
»Ja.«
»Wie geht es weiter?«
»Ja, das ist mir ein Rätsel. Wie kann der Mann ersticken, ohne gewürgt worden zu sein?«
»Dessen sind Sie sich sicher?«
»Völlig.«
Sukos Stirn zeigte ein Faltenmuster. »Ich möchte Ihre Angaben wahrlich nicht anzweifeln, Doktor, zudem sind Sie der Fachmann. Aber haben Sie den Kampf und den Augenblick des Todes so genau unter Kontrolle gehabt, daß Sie mit Bestimmtheit sagen können, dieser Mann ist
Weitere Kostenlose Bücher