0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
Küchenbrigade ist angekommen, die Getränke stehen bereit, die Kapelle ebenfalls, die Kühlung ist in Ordnung, das Licht auch, der Park zeigt einen prächtigen Blumenschmuck, und die Sonne ist hervorgekommen.«
Als Lady Eleonore Claudias frisches Lächeln sah, da konnte sie nicht anders und lächelte ebenfalls. »Da haben wir wirklich Glück gehabt. Es steht einem gelungenen Fest nichts im Wege.«
»Nein, Madam.«
»Wie ist es mit den Gästen?«
»Sie sind wohl pünktlich, Madam. Bisher habe ich nur die Sicherheitsbeamten gesehen.«
»Ja, so soll das sein. Wir hatten fünfzehn Uhr festgelegt. Dann muß ich mit meinem Mann an einem bestimmten Platz stehen und jeden Gast begrüßen. Das wird anstrengend.«
Claudia nickte. »Wollen Sie sich nicht zuvor noch etwas ausruhen, Madam?«
»Das ist keine schlechte Idee.«
»Ich werde Sir Lucius Bescheid geben, daß ich Sie eine Viertelstunde zuvor wecke.«
Eleonore Brent nickte und stand auf.
Über die blauen Seidenteppiche aus China schritt sie zu ihrem Lieblingssessel und nahm darin Platz.
»Wenn Sie noch einen Wunsch haben, Madam…«
»Nein, danke. Ich möchte nur ruhen.«
»Sehr wohl, Madam.« Claudia knickste noch, wie man es früher getan hatte. Danach verließ sie den großen Raum und schloß die Tür leise hinter sich zu.
Sie trat auf den breiten Gang, an dessen mit Stofftapeten bespannten Wänden die prächtigen Gemälde der Ahnengalerie hingen. Es waren Männer und Frauen darunter, manche alt, andere wieder jung, die einen blickten freundlich, die anderen finster. Es kam auch auf die Zeit an, in der die Menschen gelebt hatten.
Auch der Gang war mit kostbaren Teppichen belegt. Er schluckte die Schrittgeräusche. Claudia lief mit raschen Schritten auf die Treppe zu, sie hatte noch in der Küche zu tun.
Daß sie dabei beobachtet wurde, merkte sie nicht. Es waren zwei kalte Augen, die zu einem bleichen Gesicht gehörten und das von einem dunklen Haarkranz umgeben war.
Madeline befand sich bereits im Haus…
Davon aber ahnte Mrs. Brent nichts. Sie merkte auch nicht, daß sich die Untote der Tür ihres Zimmers näherte. Claudias Rat war gut gewesen. Eleonore Brent hatte kaum im Sessel ihren Platz gefunden, als sie die Müdigkeit schon übermannt hatte und sie eingeschlafen war.
Es war ein regelrechter Tiefschlaf, ein Wegsacken wie in einen dunklen Schacht.
Sie merkte nichts mehr. Sie hörte nichts und sah auch nicht, daß sich die Klinke der Tür bewegte.
Madeline kam…
Sie hatte die Tür nur so weit geöffnet, daß sie sich hindurchschieben konnte. Noch immer trug sie die gleiche Kleidung. Jetzt allerdings zeigte der Stoff große Schmutzflecken. Ein Andenken an die Schiffsreise auf dem Frachter.
Madeline drückte die Tür wieder ins Schloß. Kein Laut entstand, als sie auf Lady Eleonore zuging, die in einem tiefen Schlaf versunken war. Sie hatte den Kopf auf die gepolsterte Kante der Rückenlehne gelegt, ihr Mund stand halb offen. Mit den Atemgeräuschen drangen auch leise Schnarchtöne über die Lippen.
Madeline ging direkt auf sie zu und blieb dicht vor der schlafenden Frau stehen.
Die Untote mit dem bleichen Gesicht und der wilden Haarpracht beugte sich noch etwas vor. Dabei hob sie die Arme an und spreizte die Hände. Es sah so aus, als wollte sie die Frau erwürgen.
Bevor sich die gespreizten Klauen um den Hals der Lady legten, zuckten sie wieder zurück. Soweit wollte die Untote doch nicht gehen, sie besaß andere Pläne.
Mit den Spitzen ihrer kalten Totenfinger strich sie über die dünne Haut am Hals der schlafenden Frau. Zuerst regte sich die Lady nicht, bei der zweiten Berührung schrak sie zusammen, und bei der dritten öffnete sie die Augen.
Gleichzeitig trat Madeline zurück.
Eleonore Brent seufzte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Vielleicht hatte sie einen besonders schönen Traum gehabt. Sie schaute zwar, sah, aber sie nahm die Person nicht sofort wahr.
Dennoch sprach sie einen Namen aus, allerdings den falschen.
»Claudia?«
Madeline hatte das Wort gehört. Sie schüttelte den Kopf und blieb ansonsten stumm.
Wird ein Mensch aus dem Tiefschlaf gerissen, so dauert es eine Weile, bis er sich in der normalen Umgebung zurechtfindet und auch wieder klar denken kann.
Das war auch bei Eleonore der Fall. »Wer… wer sind Sie?« fragte sie. »Ich habe Sie hier nicht gesehen. Gehören Sie zu den Gästen? Und Ihr Kleid, es ist so schmutzig. Sind Sie gefallen?«
Madeline schüttelte den Kopf.
»Wer sind Sie?«
Wieder bekam
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