0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
Bisher war noch alles glimpflich abgelaufen. Die beiden Rocker, die stöhnend am Boden lagen, würden sich demnächst überlegen, ob sie es noch einmal bei einem Fremden versuchten.
»Hier spielt die Musik, Muchachos!« Ich hatte bewußt locker gesprochen, um die Spannung zu nehmen.
Sie fuhren herum wie die Springbären – und bekamen große Augen, als sie in das dunkle Loch der Beretta-Mündung starrten.
»Jetzt spielt hier die Musik!« erklärte ich ihnen.
Diese Sprache verstanden sie. Der Chef fing an zu grinsen. »War doch nur ein Spaß.«
»Sicher, aber wir spaßen nicht. Komm her!«
»Ich?«
»Wer sonst, verflixt!«
Sein Gesicht bekam einen unsicheren Ausdruck. Er wußte nicht so recht, ob ich es ernst meinte oder nicht. Zwar wollte er grinsen, es wurde nicht mehr als ein Zucken der Mundwinkel daraus.
Ich ging zurück, bis ich wieder den Tisch erreicht hatte. Dort setzte ich mich auf den Stuhl und winkte mit der Waffe. »Sie können sich mir gegenüber setzen.«
Der Rocker war verwundert. Seine Kumpane, die er hilfesuchend anschaute, sagten auch nichts. Der Wirt hielt sowieso den Mund, und Suko stand wie ein Aufpasser im Hintergrund.
»Oder wollen Sie lieber im Stehen reden?«
»Nein, nein.«
»Dann setzen Sie sich.«
Er ging so vorsichtig, als hätte er sich in die Hose gemacht. Wahrscheinlich überlegte er jetzt, ob wir tatsächlich Polizisten waren. Ich jedenfalls sah keinen Grund für eine Klarstellung.
Das Rücken des Stuhls klang in der Stille sehr laut. Ich hatte meine rechte Hand auf die Tischplatte gelegt. Der Berettalauf zielte über den Tisch hinweg.
»Wenn du versprichst, dich wie ein normaler Mensch zu benehmen, stecke ich die Kanone wieder ein«, schlug ich vor. »Wie ist es? Willst du weiter den wilden Mann spielen?«
»Nein.«
»Okay.« Ich ließ die Beretta verschwinden. Der Rocker entspannte sich ebenso wie seine Kumpane, und ich bestellte eine Runde, das lockerte die Atmosphäre ein wenig.
»Weshalb wolltet ihr Randale machen?« fragte ich.
»Wir mögen keine Zeitungsschmierer.«
»Man soll nicht verallgemeinern. Eine andere Frage. Wie heißt du eigentlich?«
»Brent!«
»Das hatte ich mir schon gedacht. Und der Vorname.«
Er verzog das Gesicht bei seiner Antwort. »Gideon. Man nennt mich Tiger!«
»Das gefällt dir besser.«
»Klar.«
»Und du bist das schwarze Schaf in der Familie?«
Er grinste. »Noch schwärzer. Die wollen mich nicht sehen, ich bin aus der Art geschlagen. Onkel Lucius dreht durch, wenn wir plötzlich bei seiner Fete erscheinen.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Was hast du denn so Schlimmes gemacht?«
»Nichts, ich bin eben anders. Lebe mein eigenes Leben. Was meinen Sie, wie ihn die Rechnung wurmen wird, wenn der Wirt sie ins Schloß schickt. Der dreht durch.«
»Ist es ein Schloß?«
»So jedenfalls nennen wir den Bau. Das ist ja mehr ein Landsitz, aber alle sagen Schloß.«
Der magere Wirt brachte die Getränke. Er hatte eine klare Flüssigkeit in kleine Gläser gekippt. Ein scharfer Schnaps, wie ich beim Trinken sehr bald feststellte. Das Zeug half auch den beiden angeschlagenen Rockern wieder auf die Beine.
Bisher hatte ich mich nur locker mit Tiger unterhalten. Den Kern der Sache schnitt ich jetzt an. »Ich habe vorhin gehört, daß ihr ein Mädchen anmachen wolltet.«
»War nicht so gemeint«, wiegelte er ab.
»Ich will das mal dahingestellt sein lassen, aber dieses Mädchen, sah es tatsächlich so aus wie eine Ahnherrin aus eurer Familienreihe?«
»Genau so.«
»Was geschah weiter?«
»Na ja, ich hätte mich gern mit der Kleinen unterhalten.« Er trank sein Glas leer, um Zeit fürs Nachdenken zu gewinnen. »Aber plötzlich war sie weg. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Einfach verschwunden.«
»Habt ihr denn nach ihr gesucht?«
»Klar, aber nicht erwischt.«
»Das ist Pech.«
»Kann man wohl sagen.«
»Wie läuft es weiter ab?«
Er grinste schief. »Wir werden dem Fest einen Besuch abstatten. Schließlich gehöre ich auch zur Familie. Zwar bin ich das schwarze Schaf, aber direkt ausgestoßen hat man mich nicht, Sie verstehen?«
»Klar. Allerdings frage ich mich, was passiert, wenn die Aufpasser ihres Onkels euch auftauchen sehen. Das kann zu einem schweren Ärger kommen. Die Männer sind bestimmt bewaffnet. Es kommt niemand ohne Einladung hinein.«
Der Rocker senkte den Kopf. »Daran habe ich nicht gedacht. Allerdings müßte er wissen, daß ich komme. Andere werden es Lucius gesteckt haben. Ich hatte ihnen
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