0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
früh kein Mädchen in einem Trainingsanzug einen Bus benutzt hatte, also war sie wahrscheinlich zu Fuß gekommen, wenn man die Möglichkeit eines Taxis einmal ausklammern will. War sie aber zu Fuß gekommen, konnte sie nicht allzu weit entfernt wohnen. Ich nahm den Stadtplan und fing mit der nächstgelegenen Straße an. Es dauerte eine Weile, aber schließlich hatte ich Erfolg. In einem Milchladen erkannten die Leute meine Beschreibung. Das müßte Clara Brisborne sein, sagten sie. Natürlich fragte ich sie über diese Clara Brisborne aus. Es handelt sich um eine Studentin an der Sporthochschule. Das Mädchen gewann im vorigen Jahr die Staatsmeisterschaften im Damen-Hürdenlauf und scheint außerdem mehrere Meisterschaften im Hundertyardlauf gewonnen zu haben. Ich bin kein Sportexperte und kenne mich deshalb nicht so aus. Vielleicht wäre mir sonst sogar ihr Name geläufig gewesen. Ich ließ mir beschreiben, wo sie wohnte, und ging hin. Die Adresse ist bereits bei den Akten. Es handelt sich um ein möbliertes Zimmer mit Kochnische. Die Vermieterin ließ mich ein. Ich fand ein Fotoalbum mit Familienbildern von zu Hause. Die Identität war für mich an Hand dieser Bilder sofort erwiesen. Ich habe mich im Zimmer umgesehen, aber keine eigentliche Durchsuchung vorgenommen. Bei meinem Gespräch mit der Vermieterin kamen ein paar Dinge zur Sprache, die in unserem Zusammenhang vielleicht interessant sind. Zunächst einmal muß man sagen, daß Miß Brisborne jeden Morgen um vier aufstand und gegen halb fünf das Haus verließ, um zu dem Sportplatz zu gehen, wo sie bis gegen halb sieben zu trainieren pflegte, solange es das Wetter erlaubte.«
»Wurde sie von Hausbewohnern gesehen, wenn sie zum Training ging oder davon kam. Rachton?« fragte der Lieutenant.
»Ja. Mehrmals, wenn sie zurückkam. Wahrscheinlich wollen Sie auf die Kleidung hinaus? Die Leute bestätigten, daß Miß Brisborne ihren Trainingsanzug trug. Nur wenn es draußen Schon regnete, hatte sie manchmal einen leichten Mantel über die Schultern geworfen, aber meistens war das nicht der Fall. Wir brauchen also nicht anzunehmen, daß der Mörder Kleidungsstücke mitgenommen haben könnte.«
»Aber sie wird doch eine Handtasche oder so etwas mitgenommen haben?« fragte Aris. »Frauen brauchen doch immer was. Jedenfalls, soweit ich das beobachtet habe.«
Ein paar Männer lachten leise. Aber Sergeant Rachton schüttelte den Kopf.
»Ich habe danach gefragt. Die Hausbewohner, denen sie morgens bei der Rückkehr von ihrem Training begegnet war, haben keine Tasche bei ihr gesehen. Da es von ihrer Wohnung bis zum Sportplatz nur ein Fußweg von wenig mehr als drei Minuten ist, könnte sie ohne Tasche ausgekommen sein.«
»Jedenfalls haben wir keine Tasche finden können«, brummte Aris. »Und ich bin noch nicht davon überzeugt, daß ein Mädchen zwei Stunden lang auf einen Sportplatz geht, ohne auch nur ein Taschentuch einstecken zu können. Denn in dem Trainingsanzug waren keine Taschen. Vielleicht hat also der Mörder die Tasche des Mädchens mitgenommen. Das könnte ein enorm wichtiger Punkt in der Fahndung werden. Rachton, Sie gehen morgen wieder zu der Vermieterin und anschließend in die Sporthochschule. Lassen Sie sich alle Taschen beschreiben, die man je bei dem Mädchen gesehen hat, und dann prüfen Sie in ihrem Zimmer nach, ob alle diese Taschen noch vorhanden sind.«
»Ja, Sir.«
»Jameson, Sie nehmen die Liste aller Züge, die heute früh zwischen drei und sieben Uhr auf der Strecke gefahren sind, und stellen fest, welcher Zug dort angehalten hat, weil das Signal keine freie Fahrt gab. Und wenn es auch nur für zehn Sekunden gewesen wäre, verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Halt, wir wollen die Zugliste erweitern. Alle Züge, die seit gestern abend acht Uhr dort vorbeikamen. Wenn der Täter ein Tramp oder so etwas war, könnte es ja sein, daß er dort abgesprungen ist und in dem Gebüsch übernachtete. Anschließend lassen Sie sich von allen Zügen die Ankunftsbahnhöfe und -Zeiten geben. Setzen Sie sich mit allen diesen Bahnhöfen in Verbindung und lassen Sie die Züge absuchen. Wenn man einen Tramp findet, soll man ihn vorläufig festnehmen und uns sofort verständigen. In dem Falle wünsche ich umgehend Meldung. Findet man keinen, soll man wenigstens nach Spuren und Hinweisen suchen, die darauf deuten, daß ein Tramp irgendwo mit diesem Zug gefahren ist.«
»Das wird eine Menge Arbeit werden.«
»Sehr richtig. Vielen Dank für Ihren Obduktionsbericht,
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