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0512 - Der lachende Tod

0512 - Der lachende Tod

Titel: 0512 - Der lachende Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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er aber in seine noch im Netz hängende Jacke gefallen. Das milderte die Katastrophe. Diesmal war es seine linke Seite - mit Arm und Schulter seines Hemdes saß er fest.
    Auf die neuerliche Schwingung hatte die Spinne wohl gewartet.
    Jetzt tauchte sie auf. Der Signalfaden war tatsächlich der kürzeste der drei, die Zamorra im Verdacht hatte. Das achtbeinige Biest, für Zamorra so groß wie ein ausgewachsener Schäferhund und damit viel größer als jede »normale« Spinne, tanzte blitzschnell auf ihn zu.
    ***
    Nicole hatte sich das Dorf angesehen. Lange hatte das nicht gedauert, weil es nur wenig mehr als drei Dutzend Häuser gab. Und Kosta Menarchos, der junge Bursche, hatte sich liebend gern als Fremdenführer angeboten. Seitdem kannte Nicole nicht nur die Einwohnerzahl, sondern auch die Menge an Schafen, Ziegen und sonstigem Kleingetier, die Dorfgeschichte bis zurück ins 17. Jahrhundert, und sie wußte außerdem, daß der Ortsvorsteher einen Ur-Ur-Ur-Ur-und-so-weiter-Ahnen hatte, der seinerzeit mit Odysseus auf großer Fahrt gewesen sein sollte, nach dessen mehr oder weniger glücklichen Heimkehr aber auf Ithaka nicht mehr heimisch gewesen wurde, worauf es ihn in diese Gegend verschlug. Vorsichtshalber fragte Nicole nicht nach entsprechenden Familienstammbüchern und Geburtsurkunden…
    Natürlich blieb es nicht aus, daß auch über dörfliche Rivalitäten berichtet wurde. Der Nachbarort war natürlich Gegner. Einmal im Monat traf man sich, um die Dorfmannschaften ein Spiel gegeneinander austragen zu lassen, das Nicole nicht begriff, und nach dem Spiel verprügelte die unterlegene Mannschaft zuerst die siegerische und den Schiedsmann, um anschließend gemeinsam zu feiern und danach fürs nächste Spiel Rache zu schwören. Weil die Gegnermannschaft beim letzten Mal nicht nur das Spiel, sondern auch unverschämterweise die Prügelei gewonnen hatte, »geschähe es denen ganz recht, wenn die Lamia unter ihnen aufräumte«, stieß Menarchos hervor.
    Nicole spitzte die Ohren. »Die Lamia?«
    »Na, dieses blutsäugende Ungeheuer, über das die Zeitung fast jeden Tag schreibt. Das ist die Lamia. Dabei gibt’s die überhaupt nicht. Da hat sich einer was aus den Fingern gesogen und macht jetzt damit Schlagzeilen, nur weil plötzlich ein paar Dutzend Menschen in verschiedenen Orten an Blutarmut gestorben sind.«
    An Blutleere, korrigierte Nicole in Gedanken. Natürlich hatte sie sich auch die Zeitungstexte übersetzen lassen - sie sprach zwar griechisch, nur mit dem Lesen der fremdartigen Buchstaben tat sie sich etwas schwer -, und danach zog das blutsaugende Vampirungeheuer eine Leichenspur durch Thessalien, die ausgerechnet auf dieses Dorf zuhielt. Nicole war sicher, daß der Blutsauger in der vergangenen Nacht im Nachbardorf, dem Kosta Menarchos die Lamia auf die Hälse wünschte, bereits zugeschlagen hatte, nur hatte sich das garantiert noch nicht in der Zeitung von heute niedergeschlagen. In der von gestern war immerhin ein Ort gut dreißig Kilometer entfernt erwähnt, und nachdem Nicole die Tatorte auf der Landkarte hintereinander gereiht hatte, führte die Spur durch genau dieses Dorf, in dem sie sich jetzt aufhielt. Und nur deshalb war sie ja hier. Sie kreidete es dieser blutsaugenden Mörderbestie als persönliche Gemeinheit an, daß sie sich nicht moderne Großstädte wie Athen ausgesucht hatte, sondern dieses verlorene Hinterwaldkaff. Der einzige Vorteil war, daß der Ort so klein war, daß ein Fremder sofort auffallen mußte wie ein Pfau in einem Schwarm von Nebelkrähen.
    Diese Nacht würde der Vampir vermutlich hier zuschlagen. Und Nicole war ihm einen Schritt voraus, konnte ihn hier abfangen und vielleicht sogar schon zur Strecke bringen, was ja ihre eigentliche Aufgabe war. Danach brauchte sie nicht mehr »auf ihren Mann zu warten«, sondern konnte die Zelte abbrechen und wieder heimkehren nach Frankreich.
    Deshalb hatte sie sich den Ort auch sehr genau angesehen. Und deshalb ließ sie sich von Kosta alles erzählen und erklären, die umliegende Landschaft beschreiben… es gab da nichts, was sie nicht wissen wollte, bis hin zu verfallenen Schutzhütten auf den Weiden oder Erd- und Felshöhlen. Und Kosta, dieser eifrige Galan, merkte nicht, wie er ausgefragt wurde. Es machte ihm einfach Spaß, auch die dümmsten Fragen dieser Frau zu beantworten, um sie für sich zu gewinnen - schließlich war »ihr Mann« ja noch geschäftlich verhindert…
    »Lamia…«, murmelte Nicole. »Ist das nicht der Name der

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