0512 - Hard-Rock-Zombie
ließ.
Er hatte Glück.
Eines dieser Vierecke war sogar offen. Es ließ sich schieben. Von außen hätte er es nie aufbekommen.
Über sein Gesicht glitt ein Lächeln. Jetzt befand er sich schon fast am Ziel seiner Wünsche.
Noch war der Spalt zu klein, um einen vollen Überblick zu bekommen. Aristide sorgte dafür, daß er genügend Platz bekam. Er kniete dabei neben der Öffnung.
Keiner der versammelten Skinheads schaute in die Höhe. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aristide konnte es sich bequem machen und aus luftiger Höhe seine Feinde beobachten.
Die benahmen sich völlig ungezwungen. Einige von ihnen hockten auf dem Boden. Der Sitzordnung nach hatten sie einen Kreis gebildet. Sogar einen ziemlich großen.
In die Mitte des Kreises ging niemand hinein. Selbst an den Rändern wurde er nicht durchquert.
Aristide konnte sich vorstellen, für wen der Kreis gedacht war. Sie warteten auf Tiger Diabolos Auftritt.
Noch hielt sich der Hard-Rock-Zombie zurück. Aristide war dies sehr recht.
Er schaute sich um, so gut es ging. Als Lichtquellen dienten Scheinwerfer, die Skinheads hatten sie mitgebracht und an vier Stellen aufgebaut. Ihre langen Lichtstrahlen gaben genügend Helligkeit ab. Manchmal torkelte einer der Typen durch das Licht. Ob er betrunken war, konnte Aristide nicht genau erkennen. Jedenfalls bewegte sich der Glatzkopf nicht normal, wahrscheinlich auch im Rhythmus der Musikfetzen, die aus den Lautsprechern der mitgebrachten Radios dröhnten.
Nur wenige Skinheads standen. Die meisten hockten im Kreis zusammen und warteten auf ihren Herrn und Meister.
Aristide dachte darüber nach, daß er möglicherweise in die Halle hineinmußte. Für einen Sprung war die Entfernung zu groß, und eine Leiter sah er auch nicht.
Wie also nach unten kommen?
Er nahm die MPi und verdrängte den Gedanken an einen Sprung.
Mit der Mündung zielte er schräg in die Tiefe hinein. Ein kaltes Lächeln glitt über seine Lippen.
Seine Position war ausgezeichnet. Wenn er wollte, brauchte er die Waffe nur um eine Winzigkeit nach rechts oder links zu bewegen, um den gesamten Kreis abstreuen zu können.
Das war schon ein nicht zu verachtender Vorteil.
Keiner schaute in die Höhe. Die Skinheads waren mit sich selbst beschäftigt.
Entweder lauschten sie den fetzigen Rhythmen, oder sie machten selbst genug Power.
Einige von ihnen schrien nach Tiger Diabolo. Manchmal sprang jemand aus dem Kreis der Hockenden in die Höhe, stemmte seine Arme in die Luft und brüllte den Namen des Hard-Rock-Zombie.
Aristide zuckte jedesmal zusammen. Seine Augen bekamen einen gnadenlosen Zug.
Wenn die Glatzköpfe durchdrehten und sich weiterhin nur mit Tiger Diabolo abgaben, hatten sie Pech gehabt.
Dann würden sie die Konsequenzen tragen müssen. Wie die aussahen, spielte der Mann auf dem Dach bereits alles durch.
Er drückte den Waffenlauf noch tiefer und gleichzeitig schräger.
Sein Finger näherte sich dem Abzug und berührte voller innerer Freude das kühle Metall.
»Gnade euch Gott«, hauchte er, »wenn ihr euch nicht auf meine Seite stellt. Diesmal wird es anders sein als in der Pizzeria…«
***
Ich lebe schon länger in London und kannte Soho eigentlich besser als mein Freund Suko.
Davon war ich bisher jedenfalls ausgegangen. Der Irrtum stellte sich rasch heraus. Wäre es nach mir und meiner Führung gegangen, hätten wir uns im dichten Nebel verlaufen. Suko war es, der uns wieder auf den richtigen Weg brachte.
»Auf deine Verantwortung«, sagte ich.
»Bestimmt.«
Suko hatte sich nicht geirrt. Er führte mich durch nebelschwangere Gassen, die auch in die Zeit des »Jack the Ripper« gepaßt hätten, als dieser Killer im vorigen Jahrhundert Jagd auf Frauen machte.
An einer Kreuzung blieben wir stehen, ließen Autos passieren, hörten hin und wieder das Hupen, Musik aus der Ferne, gedämpfte Stimmen, aber alles wirkte so schrecklich unnormal.
Viel zu ruhig, zu verhalten. Selbst unsere Bewegungen schienen sich verändert zu haben und in Zeitlupe abzulaufen.
Wir überquerten die Straße. Da wußte auch ich, wo wir uns befanden. In einem Sanierungsgebiet, in dem die Häuser längst verkauft und von den offiziellen Bewohnern verlassen worden waren.
Wer und was jetzt darin hauste, konnte man vergessen. Zwei- und vierbeiniges lichtscheues Gesindel.
»Da ist die Scheune!« Suko war stehengeblieben und streckte den rechten Arm aus.
»Wo?«
Er grinste mich an. »Hinter der vor uns liegenden dicken Nebelwand. Gib
Weitere Kostenlose Bücher