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0513 - Die Hexenfalle

0513 - Die Hexenfalle

Titel: 0513 - Die Hexenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sein »Zauberzimmer«, einen großen Raum, der eigens für weißmagische Experimente eingerichtet war. Er zog die Tür hinter sich zu und sah sich um. Der kahle, glatte Boden mit den Pentagrammen, Kreisen und Schutz- und Beschwörungszeichen verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit. Hier war Zamorras Revier.
    Und doch war ihm klar, daß diese Sicherheit trügerisch war. Die unheimliche Entität, die ihn kontrollierte, würde ihn auch hier nicht ans den Augen lassen.
    Er dachte sorgfältig nach und legte sich seinen Plan zurecht. Dann schritt er an den Wandregalen und Schränken entlang. Er nahm zwei uralte Zauberbücher aus dem Regal. Schwere, punzierte und bemalte Ledereinbände. Dickes, handgeschöpftes Papier, gelb und brüchig. Man mußte die Seiten sehr vorsichtig umblättern, damit sie nicht zerbrachen. Sie waren von Hand mit Tusche beschrieben, die Ränder kunstvoll verziert und mit Illustrationen versehen. Bücher, von denen es möglicherweise keine weiteren Kopien mehr gab. Zwar waren die Seiten mittlerweile per Scanner in den Computer eingelesen und auf Diskette abgespeichert, zur Sicherheit gleich in mehreren Kopien, die an verschiedenen Orten deponiert waren, aber das minderte den Wert dieser ziegeldicken Bücher nicht. Jedes von ihnen mochte fünfzig- bis hunderttausend Francs kosten - wenn es denn überhaupt käuflich zu erwerben wäre.
    Zamorra legte die beiden Bücher sorgfältig in einen schwarzen, metallverstärkten Koffer. Zwei Stücke magischer Kreide kamen hinzu, ein paar Pülverchen und Tinkturen in ihren Behältern, seltene Kräuter - Zamorra vermerkte, daß die Bestände wieder einmal eine Ergänzung vertragen konnten; aus diesen Regalen bestückte er auch seinen »Einsatzkoffer«, wenn er auf Dämonenjagd ging. Schließlich klappte er den Koffer zu und verriegelte ihn sorgfältig.
    Er verließ das Zauberzimmer.
    Niemand war auf dem Gang. Man respektierte, daß er vorübergehend völlig allein sein wollte. Trotz der Sicherheitsbedenken. Wenn Nicole tatsächlich ein Trugbild war, hielt sie sich vielleicht allein deshalb an die Absprache, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Und war sie echt… was sie wissen mußte, wußte siè.
    Zamorra stieg mit dem Koffer in den Keller hinab. Vor fast tausend Jahren, als Leonardo deMontagne dieses Château als Burgfestung hatte errichten lassen, mußten Tausende von Leibeigenen und Sklaven, die er sich hielt, bis zum Umfallen geschuftet haben, um in den gewachsenen Fels ein wahres Labyrinth von Gängen und Kammern zu treiben, das bis heute noch größtenteils unerforscht war und hin und wieder kleine, aber gemeine Überraschungen zutage brachte. Auch Schwarze Magie mußte im Spiel gewesen sein. Anders wäre dieses Kellerlabyrinth wohl nicht zu bauen gewesen; die Arbeiter hätten Jahrhunderte dazu gebraucht. Der Fels, auf dem das Château sich am Berghang erhob, mußte durchlöchert sein wie ein Schweizer Käse.
    Am Vorrats- und Weinlager vorbei schritt Zamorra tiefer in das Labyrinth hinein, folgte dem jüngsten bekannten Pfad. Er gestattete sich nicht einmal ein Selbstgespräch, als ihm ein paar Ratten über die Füße liefen. Nach einer Weile erreichte er die Regenbogenblumen.
    Sie blühten unter einer künstlichen Mini-Sonne.
    Zamorra trat zügig zwischen die mannsgroßen Blütenkelche, konzentrierte sich auf sein Ziel und war im nächsten Moment aus Frankreich verschwunden.
    ***
    Es mußte ein Ende finden. Naomi erhob sich von ihrem Lager. Sie sah sich um in dem Dämmerlicht, das durch die verstaubten, schmutzigen kleinen Fenster drang. Es hätte wesentlich heller sein können, wenn sie die Fenster in den letzten Monaten zwischendurch auch einmal wieder geputzt hätte. Aber warum sollte sie das noch tun? Was brachte es denn, ob die Hütte sauber und aufgeräumt war oder nicht? Was machte es aus, ob Naomi Varese lebte oder nicht?
    Oh, letzteres machte sehr viel aus. Der Tod würde die Endlosschleife der Erinnerungen endlich durchbrechen, davon war sie überzeugt.
    Zamorra hatte den Geist der Hexe verbrannt, nicht aber die Erinnerungen. Und auch Fenrirs Wolfsliebe hatte diese Erinnerungen nicht löschen können.
    »Es wäre besser gewesen«, flüsterte sie, »wenn du mich nie auf deinen Streifzügen gefunden hättest, Wolf. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Vielleicht wäre Zamorra über Enrique Landemon trotzdem auf mich gestoßen - aber dann hätte er mich vielleicht auch getötet, weil ihm die Zusammenhänge nicht so klar werden konnten wie durch

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