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0517 - Zitadelle des Todes

0517 - Zitadelle des Todes

Titel: 0517 - Zitadelle des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Schreibtischmann ließ sich wieder hinter der wuchtigen Holzplatte nieder und glich mehr denn je einer fetten Kröte. »Ein Mann mit einem so ellenlangen spanischen Namen als Berater des sechzehnten Louis - da hätte er sich eine bessere Geschichte ausdenken sollen… - Der nächste Fall!«
    ***
    René Macaire beobachtete den Fremden. Der war ihm vorhin schon aufgefallen. Dieser hochgewachsene Mann mit den breiten Schultern und dem dunkelblonden Haar. Er lief mit nacktem Oberkörper herum und trug eine auffällige Silberscheibe vor der Brust. Macaire erinnerte sich, daß der Mann plötzlich in der Menge aufgetaucht war, ganz überraschend und aus heiterem Himmel. Das war gewesen, kurz nachdem die Büttel Pierre Garroix fortgeschleppt hatten, ohne daß Macaire etwas dagegen tun konnte.
    Da war doch gleichzeitig auch dieser so altvorväterlich gekleidete Dicke erschienen und mit gewaltigem Schwung auf dem Hosenboden bis vor den Scharfrichter gerutscht! Wie er dieses Kunststück fertiggebracht hatte, war Macaire ein Rätsel. Der Dicke hatte überhaupt keinen Platz dafür gehabt, einen entsprechenden Anlauf zu nehmen. Es war gerade so, als sei er aus dem Nichts gekommen.
    Zwei Männer, die auf recht merkwürdige Weise aufgetaucht waren… etwas stimmte mit ihnen nicht. Und jetzt sah Macaire den Großen zum zweitenmal. Der Mann sah aus, als schmiede er an einem Plan. Er saß in einer Seitengasse auf einem abgedeckten Regenfaß und lehnte sich an die Hauswand. Grüblerisch sah er an Macaire vorbei.
    René Macaire nagte an seiner Unterlippe.
    Männer, die aus dem Nichts erscheinen konnten… konnten die nicht auch ebenso leicht wieder im Nichts verschwinden?
    Noch vor hundert oder zweihundert Jahren hätte ein Mann wie René Macaire geglaubt, daß Hexerei im Spiel war. Aber er gehörte zu den aufgeklärten Menschen, denen man mit derlei Unsinn nicht mehr kommen durfte. Es mußte also eine andere Erklärung für das überraschende Auftauchen geben.
    Der dicke Mann war von den Bütteln der Nationalversammlung abgeführt worden, nachdem er, bereits neben dem Blutgerüst, noch eine wüste Schlägerei durchgestanden hatte. Man hatte ihn fortgebracht. Vermutlich würden sie ihn ein paar Tage oder Wochen im Kerker darben lassen, um ihn dann zu köpfen.
    Vielleicht gehörten die beiden so unterschiedlichen Männer zusammen.
    Wenn das der Fall war, würde der Große sicher versuchen, den Dicken zu befreien, wie auch immer er das anstellen mochte. Und damit waren sie schon zwei, die die gleichen Interessen hatten. Denn Macaire hätte liebend gern auch seinen Freund Pierre Garroix befreit.
    Aber auf dem Rechtsweg war da nichts zu machen. Jene, die großspurig verkündet hatten, den »Dritten Stand«, des Adels und der Geistlichkeit, zu befreien, taten selbst nichts anderes, als sich an die Macht zu klammern und alle anderen zu beseitigen. Dabei schreckten sie auch vor der Hinrichtung ihrer eigenen Leute nicht zurück, sobald diese sich als unbequeme Mahner entpuppten. Der Schrecken regierte. Männer wie Robespierre, Marat und der redegewaltige Danton hatten Haß und Verrat geschürt. Das Mordgespenst der Revolution ließ sich längst nicht mehr bannen; es war entfesselt und ging seinen eigenen Weg, war von niemandem mehr aufzuhalten. Wer geglaubt hatte, mit der Hinrichtung des Königs sei nun alles erreicht, die Monarchie endgültig beseitigt, und es könne jetzt endlich Ruhe einkehren und ein neuer Staat mit freien, selbstbestimmenden Menschen entstehen, sah sich getäuscht. Die Königstreuen wirkten immer noch im Untergrund, obgleich sie doch längst verloren hatten, und die Revolutionäre hatten sich inzwischen gespalten. Jakobiner und Girondisten standen gegeneinander. Es kam zu ständigen kleinen Reibereien und Machtkämpfen, und wer dabei stürzte, sah sich anderntags auf dem Schafott wieder.
    Auch bei Garroix’ Festnahme hatte Macaire nichts unternehmen können. Man hätte ihn nur ebenfalls fortgeschleppt. Verhaftungen in der Öffentlichkeit waren an der Tagesordnung. Wenn er Garroix helfen wollte, konnte er das nur im nachhinein, außerhalb des Gefängnisses tun.
    Langsam schleuderte er auf den Fremden zu. Vielleicht konnten sie sich zu gegenseitigem Frommen zusammentun. Dann waren sie immerhin schon zu zweit.
    ***
    Die Bastille, das berüchtigte Pariser Gefängnis… und so, wie die Menschen auf der Straße gekleidet waren, wurde Nicole klar, in welcher Zeit sie diesmal gelandet waren.
    Irgendwie schienen tatsächlich

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