0518 - Der Vampir von Versailles
Geringste zu sagen. Na, wunderbar. Dann können wir in diesen wunderschönen lichtlosen Staubhöhlen verrotten. Und so was nennt sich selbst großspurig ›Berater des Königs‹!«
»Oh«, erwiderte der Gnom. »Er ist kein unwichtiger Mann. Immerhin ist er mit der Familie Philips IV. von Spanien verwandt.«
»Dessen Tochter Maria Theresia die Gattin des Köngis ist. Darf ich also vermuten, daß die Gunst des Königs eher die Gunst der Königin ist?«
Der Gnom nickte.
»Toll«, verkündete Nicole. »Vor allem, wie Ludwig in dieser Ehe immer nur ein Zweckarrangement gesehen hat, um Spanien ruhigzustellen. Seine Favoritin dürfte derzeit, wenn meine Kenntnisse in historischem Hofklatsch mich nicht trügen, Madame de Montespan sein. Wenn Fuego also einen falschen Ton bläst, werden Majestät geruhen, ihm heimzuleuchten zum Château Montagne oder gar zurück nach Spanien.«
»Ihr irrt, Mademoiselle«, versicherte der Gnom. »Daß der König seinem ehelich angetrauten Parasiten wenig Zuneigung entgegenbringt, blendet ihn nicht gegenüber politischen Erfordernissen. Der König ist ein kluger, weiser Mann, der sehr wohl weiß, wen er warum in seiner Nähe sehen will. Und er sprach niemals abfällig über meinen Gebieter. Seid also unbesorgt. Er wird froh sein, ihn lebendig wiederzusehen.«
»Na schön«, brummte Zamorra. »Und wie geht es nun weiter?«
»Zunächst werde ich die Euch zugedachte Kammer und anschließend meine vom Staub befreien und etwas wohnlicher machen«, erklärte der Gnom. »Derweil wird mein Gebieter schon dafür sorgen, daß Ihr alsbald standesgemäß eingekleidet werdet. So, wie Ihr jetzt herumlauft, könnt Ihr Euch doch nirgends hier drinnen oder draußen sehen lassen.«
»Oh, wir kriegen die Bude schon selbst sauber«, versicherte Zamorra. Aber der Gnom winkte ab.
»Laßt es mich tun. Es obliegt ohnehin meinen Pflichten, solange der Rest der Dienerschaft nicht hier ist, und es geht auch ganz schnell. Doch bitte ich Euch, mir derweil nicht im Wege zu sein… Verzeiht meine Respektlosigkeit, aber es geht allein wirklich geschwinder.«
»Na schön. Wir sehen uns ein wenig in der Umgebung um«, sagte Zamorra und zog Nicole mit sich auf den Gang. »Man soll niemanden von seiner Arbeit abhalten, vor allem, wenn er sich danach drängt.«
»Sehe ich Anklänge feudalistischen Gedankenguts in dir? Gefällt es dir plötzlich, daß der Kleine sich für uns abrackert?« hakte Nicole nach.
»Blödsinn«, brummte Zamorra. »Aber wir sollten uns daran gewöhnen, daß bestimmte Dinge in dieser Zeit etwas anders ablaufen als bei uns.«
»Ehrlich gesagt, fällt mir das schwer.« Sie traten an eines der großen Fenster des Korridors, der fast breiter war als ihr Quartier. Nicole sah hinaus.
Sie zuckte zusammen.
»Was hast du?« fragte Zamorra. Seine Gefährtin deutete auf einen Mann, der sich draußen auf dem großen Vorplatz bewegte. »Sag mal… spinne ich, oder ist das Robert Tendyke?«
Zamorra sah genauer hin.
»Er ist es«, bestätigte er dumpf.
***
Der Mann, dem man später den Beinamen »Sonnenkönig« geben würde, legte den Federkiel beiseite, mit dem er ein Schriftstück paraphiert hatte, und schloß das Tintenfaß. Mit einer beiläufigen Bewegung schob er das Papier mit der noch feuchten Tinte zur Seite. »Löschen, siegeln und unverzüglich dem Empfänger zustellen. -Wer? Wie ist der Name?« Die Frage war an den Stellvertreter des Hofmarschalls gerichtet, der dem König eben mitgeteilt hatte, daß da jemand sei, der Seine Majestät baldmöglichst sprechen wolle.
»Don Cristofero Fuego del Zamorra y Montego. - Der Spanier«, fügte er vorsichtshalber hinzu.
Louis lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. »Ich weiß, daß er Spanier ist«, sagte er mürrisch. »Und was will er? Wir dachten, daß er mittlerweile tot wäre oder sich aus einem anderen Grunde nicht mehr unnütz hervortäte.«
»Er will Euch unbedingt seine Aufwartung machen, Sire«, sagte der stellvertretende Marschall.
»Er ist also nicht tot? Hat er einen Grund für seine längere Absenz bekannt? Nicht, daß es Uns sonderlich interessierte…«
»Darüber sprach er nicht, Sire.«
»Wir werden zu gegebener Zeit darüber nachdenken, wann Wir ihm eine Audienz gewähren. Interim deute man ihm an, daß Wir unentschuldigte Abwesenheit für solch lange Zeit übelnehmen.« Er zwinkerte dem Vizemarschall zu. »Dieser verrückte Spanier hätte getrost noch eine Weile tot bleiben können… ach nein, er war ja nicht tot, sonst
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