0518 - Der Vampir von Versailles
zwei Jahren war natürlich viel geschehen. Vielleicht war es besser, zuerst einmal Maria Theresia die Aufwartung zu machen, damit sie ihren Herrn Gemahl auf Cristoferos Rückkehr vorbereitete. Aber der vierzehnte Louis hatte kaum etwas anderes als seine Kriegsführung und den Ausbau des Schlosses im Kopf.
Er war ein wahrhaft königlicher Narr, fand Cristofero.
Unten im Hof entdeckte er unversehens deDigue, diesen hinterhältigen Ränkeschmied, der nichts unversucht ließ, sich selbst ins beste und alle anderen ins schlechteste Licht zu setzen. Cristofero erinnerte sich, daß deDigue innerhalb eines Jahrs drei Ehrenhändel hinter sich gebracht hatte. Zumindest in einem Fall hatte sein Kontrahent überlebt und anfangs sogar behauptet, deDigue ganze dreimal mit dem Degen durchbohrt zu haben. Aber ein paar Wochen später war deDigue in alter intriganter Frische wieder aufgetaucht, als wäre nichts geschehen - woraufhin sein Kontrahent einen Herzschlag erlitt und verstarb.
DeDigue war also immer noch da. Auch das war fast zu erwarten gewesen.
Und weil aller schlechten Dinge drei sind, lief ihm auch noch Madame Beaufort über den Weg. Auch das war zu erwarten gewesen - leider.
Sie stieß einen Schrei des Entzückens aus, breitete die Arme aus und stürmte auf ihn zu, so schnell, daß er nicht mehr rechtzeitig flüchten konnte. »Cristofero, mein Herzallerliebster!« hauchte sie, nachdem sie sich mit einem schnellen Rundblick vergewissert hatte, daß kein unbefugtes Ohr ihr andächtig-glückvolles Seufzen wahrnehmen konnte. »Ich hatte schon befürchtet, Ihr wäret dahingestorben, nachdem ich so lange ohne Kunde über Euer Schicksal verblieb. Aber nun sehe ich Euch, fühle ich Euch - Ihr seid wieder hier, und alles wird gut!«
Davon war Cristofero weniger überzeugt. Mühsam befreite er sich aus der besitzergreifenden Umarmung.
»Pssst«, warnte er. »Wenn Euer Gemahl dies hört…«
»Der alte Vogel ist inzwischen fast taub«, teilte Madame Beaufort fröhlich mit. »Ach, Ihr seid gewiß auf einer langen, weiten Reise gewesen und habt viel zu erzählen. Wann darf ich den wohlgesetzten Worten lauschen, die Euren wundervollen Lippen entrinnen werden…?«
Der Blitz soll dich treffen, dachte Cristofero grob, der sich hütete, seine mordlüsternen Gedanken in Worte zu kleiden. Madame Beaufort hatte ihm einmal eine üble Suppe eingebrockt. Dabei war sie durchaus eine Schönheit. Aber sie schien nicht begreifen zu wollen, daß sie sich mit ihrem Verhalten sämtliche Chancen verscherzt hatte. Und dieser verdammte Mönch ebenfalls, dessen Schuld Cristofero so indiskret wie händereibend nachgewiesen hatte, um sich selbst von den ungerechten Anschuldigungen zu reinigen - hatte Madame Beaufort das alles in nur zwei Jahren vergessen?
Er jedenfalls nicht! Er war ihr schließlich erst vor ein paar Monaten in der Zukunft begegnet, nur war sie ihm dort als Gespenst im englischen Pembroke-Castle, dem »Gespenster-Asyl«, über den Weg geschwebt und selbst da hatte sie ihm noch nachgestellt. [3]
»Bald, bald«, murmelte er hastig. »Ich muß Euch indessen dringend bitten, mich momentan des Weges gehen zu lassen. Ich habe Wichtiges zu erledigen.«
»Oh, selbstverständlich, mein Allerliebster«, flötete sie, und Cristofero registrierte halbwegs erleichtert, daß sie zumindest schon mal die Vorsilbe »Herz-« ausgelassen hatte. Vielleicht konnte er sie noch weiter verstimmen.
»Das verstehe ich«, fuhr sie fort. »Ihr seid lange unterwegs gewesen und müßt dem König berichten. Doch auch ich habe Euch zu erzählen. Mein Gemahl hört mir ja schon lange nicht mehr zu, und meine Zofe ward unversehens krank. Ausgerechnet jetzt! Ach, das Schicksal ist doch grausam und ungerecht zu einer hilflosen Frau wie mir…«
»Oh, pardon, aber Seine Majestät erwartet meinen Bericht wirklich dringend.« Cristofero betrat schwankend die Brücke, die sie ihm ungewollt gebaut hatte. »Ihr entschuldigt mich sicher… zu einem genehmeren Zeitpunkt werde ich Euch gewiß gern von meinen jüngsten Erlebnissen berichten.« Hastig eilte er davon, ehe sie darauf kam, daß Seine Majestät in der entgegengesetzten Richtung zu finden war…
Danach war ihm der Tag jedenfalls völlig verdorben.
***
»Äh, ja, also, das ist mir wohl nicht ganz so gelungen, wie es eigentlich hätte sein sollen«, stammelte der Gnom schuldbewußt. »Aber vielleicht könnt Ihr mir diese Kammer überlassen und selbst in einem der anderen Räume wohnen. Solange die weitere
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