0518 - Der Vampir von Versailles
die für Küche und Putz zuständig sind und sogar nur zeitweise ihre Tätigkeit versehen und nicht einmal im Castillo wohnen. Ihr könntet Euch doch viel mehr Personal leisten und standesgemäß leben. Auch auf Euren Reisen solltet Ihr eine standesgemäße Zahl von Dienern mitnehmen, der Bequemlichkeit wegen.«
Zamorra winkte ab. Der Gnom hielt einen Leuchter mit drei brennenden Kerzen, die etwas Licht in das vorgeführte Zimmerchen brachte - Zamorra lag die Bezeichnung »Verschlag« förmlich auf der Zunge. Er strich mit dem Finger über Bettkante und Spindoberfläche; der Staub lag fast zentimeterhoch. Eine daumennagelgroße Spinne enteilte wutentbrannt in dunkle, schützende Gefilde.
»Und wo ist Euer Personal nun?« fragte Nicole spöttisch. »Sieht alles ziemlich unbewohnt aus, nicht?«
Cristofero schlug mit den Faustknöcheln gegen die Wand. Etwas Kalk platzte ab und rieselte zu Boden. »Es könnte sein, daß hier ebensoviel Zeit vergangen ist wie in der Zukunft«, versuchte er eine Erklärung. »Dann wären diese Räumlichkeiten mehr als zwei Jahre lang unbewohnt geblieben. Und natürlich kümmerte sich auch kein anderer darum. Nun, meine Dienerschaft befindet sich selbstredend im Castillo. Ich werde einen Boten aussenden, der Personal herbeizitiert. Schließlich kann ja niemand wissen, daß ich mich jetzt unversehens hier befinde, so verdrießlich das auch ist.«
Er trat bis zur Tür zurück. »Zwischenzeitlich werdet Ihr Euch hier einrichten müssen. Sobald ich wieder mit Seiner Majestät reden kann, werde ich natürlich das Problem Eurer Unterbringung zur Sprache bringen. Ich denke doch, daß Roi Louis Euch ein standesgemäßes Zimmer zur Verfügung stellen kann. Euer Personal werde ich zur Verfügung stellen; der Bote wird entsprechend mehr Diener und Zofen herbeiführen.«
»Ach, was halten Sie davon, Fuego, wenn statt dessen eine - Ihnen standesgemäße - Kutsche kommt und uns alle zum Château Montagne bringt?« schlug Nicole vor.
»Das wäre sicher nicht gut. Ich muß dem König meine Aufwartung machen und ihm raten. Wenn er mir Vakanz gewährt, steht einer Reise an die Loire natürlich nichts im Wege. Gern zeige ich Euch auch meine Heimat in Kastilien, wenn Roi Louis mir die Reise gewährt. Zeit genug werden wir haben. Mich deucht, so bald werdet Ihr Eure Epoche wohl nicht Wiedersehen, so leid es mir auch für Euch tut.«
»Bloß das nicht«, murmelte Nicole.
»Mich werdet Ihr für eine Weile entschuldigen«, fuhr Cristofero fort. »Ich muß sehen, daß ich ein paar Wörtlein mit dem König rede. Immerhin muß er informiert werden, daß ich noch unter den Lebenden weile.«
»Seine Majestät werden entzückt sein«, sagte Nicole sarkastisch. »Äh -wo in dieser Prachtbaustelle haust der vierzehnte Louis denn eigentlich?«
Cristofero streckte den Arm aus. »Im entgegengesetzten Teil des Schlosses…«
***
Der Gnom zeichnete ihnen einen Grundrißplan in den Staub; danach konnten sie sich wenigstens halbwegs orientieren. Was Zamorra und Nicole gleichermaßen verdroß, war, daß es eine Toilette nur im darunterliegenden Stockwerk und noch dazu am anderen Ende des Ganges gab. Was weitere hygienische Einrichtungen anging, so gab es Wasch-Schüsseln und Badezuber, letztere eher in den Räumlichkeiten der besonders Vornehmen. Das Wasser dafür mußte umständlich in Eimern herbeigeschleppt werden. Da verwunderten die Unmengen an Parfüm nicht, die in Versailles verbraucht wurden und die zusammen mit körpereigenen Ausdünstungen der zahlreichen Bewohner für eine schier unbeschreibliche Geruchsmischung sorgten.
Was kaum weniger ärgerlich war und ein bezeichnendes Licht auf die gesellschaftliche Stellung Don Cristoferos am Hof des Sonnenkönigs warf: Sie waren in dem Trakt untergebracht, wo auch die Quartiere der Dienerschaft lagen. Nicht gerade eine »Renommieradresse« innerhalb des Schlosses. »Ihr müßt verstehen«, sagte der Gnom etwas hilflos. »Er ist Spanier. Seit der König den Pyrenäenfrieden schloß und die Tochter des spanischen Königs zur Gemahlin nahm, herscht zwar Frieden und Handel zwischen beiden Ländern, und mein Gebieter als entfernter Verwandter der spanischen Königsfamilie darf wie viele andere spanische Edle sich in diesem Land bewegen, wie es ihm beliebt, doch ist es fast schon als ein kleines Wunder zu bezeichnen, daß der König ihm das Château Montagne gab.«
»Das heißt also, er ist ein äußerst kleines Licht«, stellte Nicole fest, »und hat nicht das
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