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052 - Invasion der Toten

052 - Invasion der Toten

Titel: 052 - Invasion der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Um dem Licht der Straßenlaternen zu entgehen, betrat sie auch Domänen, die jeder Bürger von El'ay, der bei klarem Verstand war, tunlichst mied. Etwa eine Siedlung aus windschiefen Lehmbauten, deren zerlumpte Bewohner von Alk und Unterernährung gezeichnet waren. In ihrem ungewaschenen Zustand unterschieden sie sich nicht allzu sehr von den lebenden Toten, die fünfzig Schritte entfernt durch die Straßen zogen.
    Jiinas Fellstiefel versanken bis zu den Knöcheln im Schlamm, der aus mehr als nur aufgeweichter Erde bestand. Sie war froh, im Dunkeln nicht jede Einzelheit erkennen zu können, denn der aufsteigende Dunst von Fäkalien und Erbrochenem versprach nichts Gutes.
    Nur wenige. Schritte entfernt wurde eine Tür aufgerissen. Fahler Lichtschein fiel ins Freie, bis ein ausgemergelter Kerl in den Türrahmen trat. Sein Gesicht starrte vor Dreck, die wässrigen Augen wirkten glasig. Brummelnd nestelte er an seiner zerschlissenen Hose.
    Er wollte direkt vor die Tür urinieren.
    Als er Jiina sah und die Brüste unter ihrem Umhang fixierte, erwachte er aus seiner Lethargie.
    »Hey, Baibii«, lallte er unbeholfen.
    »Kommm rrein, vier feiern hiiirr ne Paartii.« Zwei einsame Vorderzähne glitzerten bei jedem Wort im Mondlicht.
    Jiina wollte an ihm vorbei eilen, doch er streckte die Hand aus, um sie zurück zu halten. »Waate dochhh«, protestierte er, hielt aber entsetzt inne, als sie ihm die Klinge an die Kehle setzte.
    »Halts Maul«, zischte Jiina. »Geh lieber zurück in deine Taratzenhöhle, wo du hingehörst.« Sie musste mit keinen Konsequenzen drohen. Ihre kalt funkelnden Augen machten bereits deutlich, dass sie wenig Lust zum Diskutieren verspürte.
    Sie hatte fünfzig wandelnde Tote überstanden - ein versoffener Hurensohn war das Letzte, wovor sie sich fürchtete.
    Ohne ein Wort zu verlieren trat der unerwünschte Verehrer hinter die zuklappende Tür. Jiina lief längst weiter, als er den Riegel vorschob.
    Sie hatte keine Zeit zu verlieren. Als sie das Ende der gedrungenen Siedlung erreichte, sah sie erwartungsvoll zu der Straßenecke hinüber, an der bereits der Leichenzug vorbeiziehen musste. Doch nicht ein Vermummter war dort zu sehen!
    Einen Fluch zwischen den Zähnen zerbeißend drückte Jiina sich an der Wand eines mehrstöckigen Lagergebäudes entlang.
    Ein Windrad auf dem Dach produzierte genügend Energie, um zwei schummrige Laternen in Betrieb zu halten.
    Jiina musste die Augen zusammenkneifen, bis sich ihre Pupillen wieder verkleinert hatten. Sie wagte einen Blick um die Ecke und atmete erleichtert auf.
    Nur zwanzig Schritte entfernt verschwand der Leichenzug im Innenhof einer großen Schmiede.
    Zum stählernen Amboss, stand in großen Lettern über der Tür. Daneben eine wuchtige Zeichnung, damit auch Analphabeten wussten, was sie hinter den Mauern erwartete. Jiina zog sich zurück und lehnte mit dem Rücken gegen die Hauswand. Langsam beruhigte sich ihr wummernder Herzschlag wieder.
    Geschafft! Sie hatte herausgefunden, wohin man die Toten brachte. Der Rest war ein Kinderspiel.
    Als die Schritte auf dem Kopfsteinpflaster verklangen, glättete sie ihren Umhang und bog ganz normal auf die Straße ein. Das große Doppeltor wurde gerade krachend zugeworfen. Nicht einmal ein Bewaffneter blieb als Wache zurück. Die Leichendiebe schienen sich ihrer Sache mächtig.sicher zu sein.
    Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sah Jiina vorsichtig in die Runde.
    In dieser Straße siedelten viele Gilden, das ließen die weithin sichtbaren Schilder erkennen. Einige Motive, die das Handwerkzeug von Schmieden, Töpfern, Seilmachern oder Böttchern darstellten, hatte ihre Freundin Brina gestaltet.
    Niemand sonst malte so gut wie sie.
    Bei Nacht waren Werkstätten und Manufakturen geschlossen; entsprechend leergefegt wirkte der Platz zwischen den Fachwerkbauten. Jiina bemühte sich um ein unauffälliges Tempo, ständig von der Ungewissheit geplagt, ob sie gerade zu schnell oder zu langsam ging.
    Während sie die Front der Schmiede passierte, sah sie sich mehrmals um, konnte aber keinen Jello entdecken.
    Zwischen diesem und dem folgenden Gebäude klaffte eine schmale Gasse, die dem Regenabfluss diente. Beherzt lief sie zwischen den Häusern entlang. Sie war schon in dieser Gegend gewesen, deshalb wusste sie, dass die Fassaden bald noch enger zusammenrücken würden. Als sie eine Stelle erreichte, an der sie nur die Hände seitlich ausstrecken brauchte, um beide Häuser zu berühren, stoppte sie.
    Sie warf einen Blick

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