052 - Invasion der Toten
Angriff blieb aus. Kein Posten besetzte den vor ihm liegenden Tunnelabschnitt. Er hatte freie Bahn.
Zufrieden eilte der Cyborg durch einen nicht ganz gerade verlaufenden Stollen, der fachmännisch von Balken abgestützt wurde. Primitive Holzfackeln, die alle hundert Meter im Boden steckten, bildeten regelmäßige Lichtinseln in der Dunkelheit.
Aiko verzichtete auf den Restlichtverstärker, der ihn anfällig für plötzlich auftretende Helligkeit machte. Ein paar Sekunden der Blindheit konnten dem Feind schon reichen, um ihn zu überwältigen.
Die Krümmung des Stollens schützte vor Entdeckung, als hinter ihm Stiefeltritte auf den Leitersprossen erklangen.
Aiko erhöhte sein Tempo, auch wenn damit die Gefahr wuchs, in einen Hinterhalt zu laufen. Endlich erreichte er eine Abzweigung. Ein Durchbruch in eine alte Kanalröhre.
Wohin sollte er sich jetzt wenden.
Links oder rechts?
Er entschied sich für die rechte Seite, gelangte nach einer weiteren Abzweigung aber prompt in eine Sackgasse. Der Durchmesser der von Flechten überzogenen Betonröhre verengte sich schlagartig von fünf Metern auf einen halben. Dort ging es nur durch einen primitiven Abfluss weiter, der zudem unter Wasser stand. Es gab angenehmere Arten des Selbstmordes, als sich da hindurch zu quälen.
Bis zu den Knien in abgestandenem Brackwasser, drehte Aiko sich im Kreis.
Zu beiden Seiten der zwanzig Meter langen Röhre ragten große Öffnungen in den Wänden. Dahinter erstreckten sich tief ins Erdreich gegrabene Höhlen. Als er durch einen der gemeißelten Durchbrüche blickte, sträubten sich ihm die Haare. Gut sechzig Tote lagen dort aufgebahrt, zum Teil auf dreifach übereinander gestapelten Pritschen.
Unterkunft und Leichenhalle zugleich.
Die perfekten Soldaten, dachte Aiko säuerlich. Anspruchslos und immer einsatzbereit.
Ganz nach General Fudohs Geschmack.
In zwei anderen Höhlen sah es genauso aus, die vierte und letzte stand dagegen leer. Dort mussten normalerweise die Zombies lagern, die jetzt draußen im Einsatz waren.
Fußgetrappel und Wasserrauschen kündigten die ersten Heimkehrer an.
Aiko musste sich schleunigst ein Versteck suchen.
Er unterdrückte den Wunsch, in die leere Höhle zu schlüpfen, denn sie war das Ziel von Kashima Horde.
So leise wie möglich eilte er zur ersten Grotte zurück, um sich einen freien Platz mitten unter den regungslosen Zombies zu suchen.
Aiko hatte Glück. In der Mitte des Raums gab es eine zusammenhängende Fläche, auf der sich zehn Tote nebeneinander reihten. Er quetschte sich einfach dazwischen und zog einen schmächtigen Jello in glänzenden Pluderhosen halb über sich. Derart getarnt war er vor neugierigen Blicken sicher, aber es kostete ihn einige Überwindung, ruhig liegen zu bleiben.
Der Gedanke, zwischen Toten eingepfercht zu sein, war schon schlimm genug.
Doch zu wissen, dass die Leichen jederzeit zum Leben erwachen konnten, zehrte selbst an den stärksten Nerven.
Aiko schloss die Augen und versuchte zu entspannen, doch selbst die einfachste Atemübung wurde zur Qual, wenn penetranter Verwesungsgestank in der Luft lag. Mühsam gelang es ihm, die Herzfrequenz auf ein normales Maß zu senken.
Draußen in der Röhre wurden Stimmen laut. Kashima und Shijõ unterhielten sich leise, während die Untoten in ihre Höhle zurückkehrten. Der Vorgang verlief mit militärischer Präzision, aber für Aiko dehnte sich jede Sekunde zu einer Ewigkeit. Als der Geräuschpegel abnahm, wollte er schon erleichtert aufatmen, doch ein Disput zwischen den Wissenschaftlern zögerte ihre Anwesenheit in die Länge.
»Verdammt, einer der Kamikaze fehlt!«, hallte es von den Wänden wider.
»Warum haben Sie mich nicht darauf aufmerksam gemacht, Shijõ?«
»Entschuldigen Sie, Kashima-san. Sie sind im Besitz der Steuereinheit. Ich dachte…«
»Wollen Sie etwa behaupten, dass ich an diesem Fehler schuld bin?«
»Nein, natürlich nicht, Kashima-san.«
»Dann nehmen Sie gefälligst ein paar Männer und bringen Sie die Angelegenheit sofort in Ordnung.«
»Ja, Kashima-san. Danke für Ihre Großzügigkeit.« Shijõ rannte förmlich davon. Danach breitete sich bleierne Stille aus, Drei, vier, fünf Minuten lang! Aiko wurde langsam unruhig. Drückte sich Kashima noch draußen herum, oder war er so leise wie ein Gleiter im Flüstermodus verschwunden?
Noch während er die Risiken einer Erkundungstour abwägte, drang Fackelschein in der Höhle. Obwohl Aiko erschrak, blieb er ruhig liegen, doch das nützte ihm
Weitere Kostenlose Bücher