052 - Roboter des Grauens
abwechselnd die Gesichtszüge des Mädchens und dann wieder die eines Totenschädels in Round-Wall-Castle trug.
Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich wie gerädert. Bleich und übernächtigt saß er am Frühstückstisch und ließ sich sagen, daß Inspektor Hunter bereits ausgegangen war. Während er seinen Tee trank, hörte er, wie die Tür geöffnet wurde. Er schaute auf – und seine Laune wurde noch schlechter. Wer da in das Gastzimmer kam, war der Bursche, der auf dem Tanzfest Mary bedrängt hatte. Ein unheilvolles Gefühl, für das er keine Erklärung wußte, beschlich den Studenten.
„Ist der Inspektor von Scotland Yard da?“ hörte er den grobschlächtigen Kerl fragen. „Der hat doch den Ring im Schaufenster von Boone’s Laden ausgestellt. War ’n Zettel dabei, daß sich jeder melden soll, der den Ring mal gesehen hat. Gegen ’ne Belohnung. Nu, wo is’ jetzt der Kriminaler? Ich kenn’ den Ring nämlich. Der gehört der Hexen-Mary.“
Wie von weit her hörte John den Wirt sagen, daß der Inspektor in Kürze zurückkommen werde. Der Bursche solle inzwischen warten.
Nun nahm das Verhängnis seinen Lauf. John hatte plötzlich Angst. Die wirren Phantasien der Nacht fielen ihm wieder ein. Er liebte Mary, das war ihm klar. Und doch hatte sein Vertrauen zu ihr schrecklich gelitten.
Er zuckte zusammen, als Inspektor Hunter in die Gastwirtschaft trat. Er hörte, wie der Bursche seine Aussage machte: „Jawohl, das ist der Ring von der Hexen-Mary.“
„Wie heißt das Mädchen wirklich?“ fragte der Inspektor.
„Mary Rothfail. Und wie das nun mit der Belohnung?“ antwortete der andere.
„Die können Sie bei der Polizei-Inspektion abholen“, sagte Inspektor Hunter. Dann ließ er sich Marys Adresse geben und kam zu John an den Tisch.
„Na, da tut sich endlich eine Spur auf“, sagte er und lachte gutgelaunt. „Allerdings kommt es mir schleierhaft vor, daß ein Mädchen der Mörder sein soll. Aber man hat da schon Sachen erlebt, Sachen, sage ich Ihnen! Die Weibsbilder tun gerne so, als könnten sie kein Wässerchen trüben und entpuppen sich nachher als die reinsten Teufelinnen. Auf jeden Fall werde ich der Dame einmal einen Besuch abstatten.“
John war wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte immer noch nicht fassen, was da passiert war.
„Werden Sie Miß Rothfail gleich aufsuchen?“ fragte er schließlich.
„Das hat Zeit bis zum Nachmittag“, antwortete der Inspektor. „Zuerst möchte ich mich einmal auf der Burg umsehen. Irgendwie kommt es mir vor, als ob da etwas faul wäre. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber man soll ja immer jeder Spur nachgehen. Kommen Sie mit, Mr. Ashley?“
John nickte.
„Gern. Dann kann ich gleich mal einen Blick auf das Fresko werfen. Das habe ich während der letzten Tage arg vernachlässigt. Brechen wir gleich auf?“
„Ja, ich schlage vor, wir nehmen meinen Wagen“, antwortete Hunter.
Nach kurzer Zeit war die Burgruine erreicht. Der Inspektor stellte seinen schwarzen Humber wie vorgestern unter der Umfassungsmauer ab. Die Männer stiegen aus.
Mary Rothfail fühlte sich heute gar nicht gut. Es war ihr, als würde an diesem Tag noch etwas Schreckliches passieren. Bereits am Morgen war sie lustlos aufgestanden und hatte sich in die Küche geschleppt. Die tägliche Arbeit ging ihr nicht von der Hand. Und ihre Nerven waren dem Zerreißen nahe. Der Lärm, den ihre Geschwister machten, regte sie auf.
Dann wieder mußte sie an John Ashley denken. Sie fühlte mehr für den jungen Mann, als sie sich eingestehen wollte. Aber konnte sie, die Hexen-Mary, wie sie im Dorf genannt wurde, wirklich hoffen, daß John ernste Absichten mit ihr hatte?
Schleppend langsam verging der Vormittag. Die Sonne stieg höher, doch das Wetter heute war seltsam. Diesige Wolken zogen unaufhörlich über den Himmel, ab und zu kam ein heftiger Windstoß auf. Der Regen gestern schien dem schönen Sommerwetter ein vorläufiges Ende gemacht zu haben. Zeitig hatte Mary das Mittagessen fertig. Sie nahm sich vor, sich nachher ein wenig niederzulegen. Vielleicht würde dann dieses schreckliche Gefühl von Angst und Ungewißheit vergehen.
Es war kurz nach zwölf, das Mädchen räumte den Tisch ab. Plötzlich fühlte sie eine Berührung am Rock. Es war Susan.
„Mary, ich habe solche Angst“, sagte das dreijährige Mädchen mit ihrer piepsigen Stimme.
„Angst, wieso?“
„Ich weiß ja nicht. Aber es ist, als ob gleich etwas passieren würde. Etwas Schreckliches.
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