0522 - Er kam aus dem Todesschloß
war stets außergewöhnlich.
Einen Namen besaß es ebenfalls.
Julie Gladstone!
Wir hatten mit ihr einiges erlebt, und es war uns auch gelungen, sie aus den Klauen von Männern zu befreien, die dem libyschen Geheimdienst angehörten, aber Julie selbst als Problem blieb. [1]
Wohin mit ihr?
Eltern besaß sie nicht mehr, ihre Großeltern waren auch tot, genau wie ihre Verwandten. Bei uns behalten konnten wir Julie jedoch nicht.
Nicht nur die ausländischen Geheimdienste interessierten sich für das Mädchen, auch der englische wollte hinter das Geheimnis ihrer Parakräfte kommen, was mir allerdings überhaupt nicht gefiel. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Schutzengel. Die Verantwortung für das Mädchen übernahm jedoch Sir James, mein Chef, der sich mit den entsprechenden Stellen beim Geheimdienst in Verbindung gesetzt hatte und mir von dem neuen Beschluß berichtete.
»Unser Schützling kommt in ein Sanatorium!«
Ich schaute Sir James über seinen Schreibtisch hinweg an. »Was ist das denn für eine Umschreibung?«
»Meine Güte, was wollen Sie, John? Sie wird dort gepflegt, unter Kontrolle gehalten.«
»Genau das stört mich, Sir. Unter Kontrolle gehalten. Ist sie denn ein Tier?«
»Nein.«
»Na bitte.«
»Ich kann Ihre Wut über diese Entscheidung verstehen, auch mir geht sie gegen den Strich, aber was soll ich tun?«
»Wir hätten uns noch Zeit lassen können.«
»Lehren Sie mich die Typen von der Abwehr oder was weiß ich kennen.«
»Ja, Sir, das Problem kenne ich. Sie müssen auch mich verstehen. Irgendwie fühlte ich mich für das Kind verantwortlich, auch wenn es diese ungewöhnlichen Fähigkeiten besitzt.«
»Das ist mir alles klar. Ich versichere Ihnen jedoch, daß Julie in diesem Sanatorium gut aufgehoben sein wird. Man wird ihr dort kein Haar krümmen. Sie ist abgeschottet und hat trotzdem alles, was sich ein Kind wünschen kann.«
»Tatsächlich alles?« fragte ich.
»Ja.«
»Nein, Sir.« Ich widersprach heftig. »Etwas fehlt, das kann man ihr nicht geben. Oder Freunde nicht, die nur daran interessiert sind, daß sie funktioniert. Ich rede von der Liebe, vom Verständnis, das Kinder benötigen.«
Sir James senkte den Kopf. »Ja, Sie haben recht, John, aber ich kann nichts machen.«
»Doch, das können Sie!«
»Und was?«
»Sagen Sie mir, wo ich dieses Sanatorium finde. Ich möchte Julie dort besuchen, wenn sie da ist.«
»Natürlich – obwohl…« Sir James hob die Augenbrauen. »Ich dürfte es Ihnen eigentlich nicht sagen.«
»Springen Sie trotzdem über Ihren eigenen Schatten, Sir. Ich bitte Sie!«
Mein Chef lächelte. »Sie nennen es Liebesnest, John.«
»Wie romantisch. Und wo finde ich das Liebesnest?«
»Kennen Sie Norwich?«
»Klar. Die Stadt im Nordwesten, nicht allzuweit von der Küste entfernt und südlich einer kleinen Hügelgruppe, die…«
»Ja, gut, John, hervorragend. Nur befindet sich das Liebesnest nicht in Norwich. Sie müssen in Richtung Kakkenham fahren. Irgendwann erreichen Sie dann die Klinik. Sie soll, das habe ich mir sagen lassen, landschaftlich sehr schön liegen.«
»Hat sie keinen offiziellen Namen?«
»Man sagt einfach nur die Klinik .«
Ich nickte. Bisher hatte sich alles normal angehört. Ob es auch so war, würde sich herausstellen. »Ich komme so einfach hinein?« fragte ich leise.
»Das glaube ich nicht.«
»Der erste Haken also.«
»Richtig. Diese Klinik ist ein Fremdkörper in unserem Land. Es gibt einige davon, wenn Sie verstehen. In diesen Kliniken werden Existenzen verlöschen, dafür bekommen Menschen neue Identitäten. Jede Regierung der Welt unterhält diese Inseln im eigenen Land.«
»Und ist das Liebesnest auch eine Forschungsstätte?«
»Natürlich.«
»Womit beschäftigt man sich?«
Sir James rückte seine Brille zurecht. »Ist das wichtig für Sie, John?«
Ich spürte, daß wir uns einem Themenkomplex näherten, über den Sir James nicht gern sprach oder nicht sprechen durfte. »Nicht unbedingt für mich, Sir, aber für Julie. Erinnern Sie sich. Dieses Kind hat sich an mich gewandt und um Schutz gebeten, den ich ihm nicht geben konnte, weil Julie sich gewissermaßen selbständig gemacht hat und die drei Hexen ausschalten wollte. Mit dem Auftauchen der Libyer haben wir nicht gerechnet. Okay, die Sache ist auch erledigt, jetzt aber fühle ich mich für das Mädchen verantwortlich. Ich will nicht, daß Julie in einer dieser Kliniken landet und womöglich für Jahre hinter diesen verdammten Betonmauern bleibt. Das kann
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