0522 - Er kam aus dem Todesschloß
über und streifte den Reißverschluß hoch. Sie spürte, daß der Fremde, der zu ihr gehörte, nicht mehr weit entfernt war. Er näherte sich immer mehr seinem Ziel, und das war eben das Hotel.
Obwohl Julie die Zimmertür geschlossen hatte, vernahm sie die lauten Stimmen aus dem Restaurant. Es waren fremde Stimmen dabei, neue Gäste vielleicht.
Sie konzentrierte sich.
Es dauerte nicht lange, bis Julie herausgefunden hatte, daß sich dort unten Menschen versammelt hatten, die von einer wahren Todesfurcht gepackt worden waren. Ihre Gefühle waren derart hochgepeitscht, daß sie regelrecht ausstrahlten und selbst Julie davon überwältigt wurde. Sie waren vor irgend etwas geflohen…
Julie nickte sich selbst zu, bevor sie an das Fenster trat und es öffnete.
Auf dem hinteren Hof brannte kein Licht. Er war so dunkel wie die Wand des Mischwaldes, der in die Höhe wuchs. Julie spürte die Ausstrahlung des Fremden jetzt so intensiv, daß er einfach in ihrer Nähe sein mußte. Es gab keine andere Lösung mehr.
Sie beugte sich so weit wie möglich aus dem Fenster – und sah den Schatten auf zwei Beinen, der plötzlich zwischen den abgestellten Wagen erschien, den Kopf zurücklegte und mit seinem bleich wirkenden Gesicht in die Höhe schaute.
Das war er!
Julie winkte ihm zu. »Ich komme«, sagte sie. »Warte nur einen Moment. Ich werde aus dem Fenster klettern.«
Die Hauswand war glatt. Dort konnte sie keinen Halt finden, aber so hoch lag ihr Zimmer auch nicht, um die Distanz nicht mit einem Sprung überwinden zu können.
Sie ließ sich fallen – und wurde von starken Armen aufgefangen.
Sie federte förmlich hinein, hielt die Augen weit offen und sah in das Gesicht des Mannes, der mit seiner Axt einen Wagen zerschlagen hatte.
Ein graues Gesicht mit kantigen Zügen, dunklen Augen und dunklen Haaren. Der Mund wirkte wie eine krumme Kerbe, die Haut an den Wangen zitterte.
»Willst du mich nicht loslassen?«
»Ja, gern.«
Er behandelte das Kind wie ein rohes Ei oder eine kostbare Puppe. Behutsam drückte er Julie nach unten und stellte sie ebenso vorsichtig wieder auf die Füße.
Dann bückte er sich und hob seine Axt hoch, die er zu Boden gelegt hatte.
Er schlug nicht!
»Ich habe dein Gesicht gesehen!« flüsterte er und strich mit der schwieligen Hand über die Wange des Mädchens.
»Ich weiß, denn ich habe dich gesucht.«
»Und du hast mir geholfen.«
»Ja, wir gehören zusammen. Man will uns beiden etwas, verstehst du? Ich brauchte einer Freund. Diese Welt ist zu feindlich. Man will mich einsperren.«
»Mich hat man eingesperrt. Es war schrecklich.«
»Man darf Menschen nicht einsperren. Das halten sie auch nicht lange aus. Das habe ich gelernt, danach werde ich mich richten.«
»Wie heißt du eigentlich?«
»Ich bin Julie.«
»Und ich heiße Orrie.«
Julie nickte. »Gut, Orrie. Wir bleiben zusammen, okay? Wir werden uns gegenseitig helfen«
»Ich helfe dir immer.«
»Das weiß ich. Hast du schon einen Plan?«
Orrie lächelte. »Ich kenne ein gutes Versteck, in dem wir die Nacht verbringen können.«
»Wo ist es?«
»Nicht weit von hier. Da befindet sich ein Campingplatz. Auf ihm stehen viele leere Wagen. Einen habe ich schon für uns ausgesucht. Darin warten wir die Nacht ab.«
»Am Morgen will ich weiter.«
»Ich auch, Julie. Wo willst du hin?«
»Weit weg.« Sie schaute an Orrie vorbei und dachte an John Sinclair. »Nach London. Dort muß ich jemanden suchen, der mich verraten hat.«
»Willst du ihn töten?«
»Ich möchte zuerst mit ihm sprechen. Vielleicht werde ich ihn dann bestrafen.«
Orrie Wayne hob die Axt. Er ließ die Klinge dicht vor Julies Gesicht schweben. »Du brauchst keine Sorgen zu haben, was diesen angeblichen Freund angeht. Ich werde immer an deiner Seite sein und dich beschützen. Das verspreche ich dir.«
Julie lächelte. Als Geste ihres Vertrauens schob sie ihre kleine Hand in seine große Pranke.
Zur gleichen Zeit betrat in der ersten Etage Gilda French das Zimmer des Mädchens. Sie machte Licht, sah das leere Bett und auch den leeren Raum. Bis ins Mark erschrak sie, als sie das offene Fenster sah.
»Julie!« Ihr Ruf gellte bis zu Julie und Orrie.
Das Mädchen lächelte nur, als es die Stimme hörte. Dann sagte sie zu ihrem neuen Freund: »Komm bitte…«
Beide gingen in die Dunkelheit der Nacht hinein…
***
»Rot«, sagte ich und grinste.
»Wieso?« Glenda tat erstaunt. »Meinst du meinen Rock?«
»Klar.«
»Er paßt doch zum Beige des
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