0524 - Er raubte die mordende Göttin
durchackern.«
Ich warf dem Material einen schiefen Blick zu. »Eigentlich hätte Glenda schon vorsortieren können.«
»Willst du ihr den Kram nach Hause bringen? Die sitzt da und kuriert ihre leichte Grippe aus.«
»Die fehlt mir übrigens auch noch.«
Suko winkte ab. »Jetzt bist du auch noch wehleidig.«
»Nein, ich habe nur keine Lust.«
»Ich auch nicht«
»Dann gehe ich mit gutem Beispiel voran und schaue mal in die Akten.« Ich legte den Kopf und maß ab. Die Hälfte wollte ich Suko rüberschieben. »Von oben?« fragte ich.
»Gib schon her.«
Er bekam das Zeug. Diese Akten oder Informationen setzten sich zumeist aus Meldungen über wichtige Ereignisse zusammen, die während unserer Abwesenheit in London und Umgebung passiert waren. Oft genug hatten wir beim Studium der Akten Informationen gefunden, die wir gar verwenden konnten.
Ich hatte den ersten Hefter soeben aufgeschlagen, als das Telefon summte.
Rasch hob ich ab, meldete mich und hörte ein scharfes Atem.
Dann die triumphierende Stimme:
»Ich bin wieder da, Sinclair!«
***
Wo das nördliche London zu einem Wohnviertel und von einer Wasserstraße, dem Grand Union Canal durchzogen wird, lebte in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Grange Street das Ehepaar Helen und Kirk Blyth. Die beiden waren seit gut einem Jahr verheiratet und gehörten zu den Menschen, die sich als Doppelverdiener bezeichnen konnten, aber einen so regelmäßig unregelmäßigen Dienst besaßen, daß sie sich an manchen Tagen nur kurz sahen und oft nur einmal in der Woche.
Kirk Blyth arbeitete als Ingenieur bei den Londoner Wasserwerken. Gearbeitet wurde in drei Schichten, rund um die Uhr.
Seine Frau Helen war Polizistin. Sie lief nicht in Uniform herum, sie gehörte zu der Gruppe junger Frauen, die sich um gestrandete Jugendliche kümmerten und den illegalen Rauschgift-Import unterbinden wollten.
Momentan war die Szene ziemlich ruhig, es gab auch kaum Ärger mit Jugendsekten, so konnte die Truppe Büroarbeit erledigen und sogar pünktlich Feierabend machen.
Wie auch an diesem Tag, als sich Helen Blyth von ihren Kollegen verabschiedete und ihnen eine ruhige Nacht wünschte.
»Wie wird deine denn werden?«
»Auch ruhig.«
»Ist Kirk nicht da?«
»Genau.«
»Dann kann ich ja kommen«, schlug ihr Kollege grinsend vor und strahlte die blonde Helen mit der kurzgeschnittenen Frisur aus seinen blauen Augen an.
»Nein, danke, du bist mir zu anstrengend.«
»Oh, ich mache Aktion.«
»Das will ich eben nicht.« Helen griff zur dreiviertellangen Windjacke und zog sie über. Die Jacke besaß eine Kapuze, die sie auch brauchte, denn es regnete.
Helens Wagen, ein Fiat Ritmo, parkte in der Nähe. Sie ließ ihn auch dort stehen, denn sie wollte vorher noch einige Lebensmittel im nahen Supermarkt besorgen.
Aus den tiefen Wolken rieselte der Sprüh. Helen hatte die Kapuze übergestreift, ging um zwei Ecken und sah die angeleuchtete Front des Supermarkts.
Um diese Zeit herrschte wieder viel Betrieb, weil die Berufstätigen einkaufen mußten. Wie recht Helen daran getan hatte, ihren Wagen stehenzulassen, erkannte sie daran, daß der Parkplatz vollgestopft war.
Helen betrat den Supermarkt durch den breiten Glaseingang, nahm einen Einkaufswagen und schob ihn vor sich her. Sie hatte sich notiert, was sie kaufen wollte. Wichtig war die Milch, die ihr Mann noch mit zum Dienst nehmen wollte. Helen stellte vier Tüten in den Wagen, blieb gleich an diesem Regal und kaufte auch etwas Quark sowie Butter.
Sie suchte auch noch weiter, beugte sich vor, entdeckte den Fisch in Gläsern und Dosen und rümpfte plötzlich die Nase hoch, weil irgendein widerlicher Gestank sie belästigte.
Faulte hier irgendwas?
Sie schaute in die Truhe hinein, die eine nahezu klinische Sauberkeit aufwies.
Nur – woher stammte der faulige Geruch?
Helen drehte sich nach rechts, weil sich eine andere Kundin an sie herangeschoben hatte.
Die Frau starrte sie an.
Helen tat nichts. Normalerweise hätte sie sich darüber beschwert oder sich kurzerhand abgewendet, jetzt aber blieb sie stehen und sah ebenfalls in das Gesicht der Frau, dessen Züge so ebenmäßig geformt waren wie bei einem Modell.
Die Haut besaß den dunklen Teint der Orientalin, die Augen waren groß, schön und dunkel. Dieses Gesicht hätte sich Helen auch hinter einem Schleier vorstellen können. Statt dessen trug die Person nicht nur einen dunklen Mantel, sie hatte auch ein schwarzes Tuch um den Kopf geschlungen, das als Motiv goldfarbene,
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