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0524 - Er raubte die mordende Göttin

0524 - Er raubte die mordende Göttin

Titel: 0524 - Er raubte die mordende Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hatte ihn überwältigt.
    Der Fremde war er in einem anderen Leben, und der Fremde winkte noch, als wollte die Vergangenheit die Gegenwart begrüßen.
    Der Ankömmling traute sich nicht, nach der Hand zu greifen. Er blieb steif stehen und schaute zu, wie der Körper vor ihm anfing zu zittern und sich veränderte.
    Wie im Zeitraffer eines Films verweste und zerfiel die Gestalt des Meneris.
    Die Haut trocknete aus, wurde braun, rieselte zu Boden. Dann waren die bleichen Knochen zu sehen, die ebenfalls zusammenknackten. Dieses Knacken hallte in seinen Ohren wider.
    Dann sah er, wie die Gestalt auseinanderplatzte.
    Da kippte der Schädel, da brachen die Arme, da wurde das gesamte Skelett zu Staub.
    Es gab keinen Meneris mehr.
    Ramir Ghur fuhr mit der freien Hand durch sein schweißnasses Gesicht. Er verteilte den Staub auf seiner Haut, so daß sie eine graue Schicht bildete.
    »Jetzt habe ich nur dich«, sagte der Geist des Toten. »Nur dich. Ich kann in meinen Körper nicht mehr zurück. Du bist die Doppelexistenz, Ramir Ghur, und du wirst das fortführen, wozu ich nicht mehr kam. Kümmere dich um Phädra, ich gönne sie dir.«
    »Ja, ja«, sagte er stotternd. »Das mache ich. Das tue ich gern. Phädra ist…«
    Er konnte nicht mehr weitersprechen, weil Staub in seiner Kehle saß und sie ausgetrocknet hatte. Rasch lief er auf die am Boden liegende Frau zu.
    Eine Person, die mehr als 2000 Jahre alt war und noch kein Zeichen nach Verwesung aufwies.
    Er bückte sich, und seine Hände strichen über den langen Mantel aus violettem Stoff, der noch ebenfalls keine Spuren von Auflösung zeigte. Dieses Grabmal hatte die Person auf wundersame Art und Weise konserviert.
    Seine Finger berührten die Haut so vorsichtig, als bestünde sie aus dünnem Glas. Und zerbrechlich sah die Frau auch aus. Sie war sehr schlank und wunderschön. Ein reizvolles Wesen mit einem edlen Gesicht, dem die Krone sehr gut stand.
    Ramir Ghur hatte die Stablampe an einem Haken am Gürtel befestigt. Er brauchte auch beide Hände, um Phädra, die mordende Göttin hochzuheben. Sie war sehr leicht, lag unbeweglich auf seinen Armen, und er hörte oder sah sie auch nicht atmen.
    Die Schutzfunktion des Meneris war erloschen und an ihn übergegangen. Meneris hatte sich damals in die Göttin verliebt, er war sogar für sie in den »Tod« gegangen. Heute spürte er, daß dieses Gefühl zurückkehrte, es füllte ihn regelrecht aus, auch er spürte, daß ihm diese Person sehr viel bedeutete.
    Vorsichtig drehte er sich um. Den Weg kannte er im Schlaf. Mit ihr zusammen würde er beschwerlicher werden, doch das nahm er gern in Kauf. Sein Ziel war erreicht.
    Aus London hatte man ihn vertrieben, als er den Menschen die Mystik des alten Ägypten nahebringen wollte.
    Vergessen hatte er das nicht. Ganz im Gegenteil. Er würde zurückkehren. Diesmal aber mit einer Helferin, die schon damals neun Menschen getötet hatte…
    ***
    Noch in der Nacht war er mit dem Wagen so weit gefahren wie eben möglich. Hinein in die Wüste, über Pisten, die eigentlich keine waren. Als der Morgen dämmerte und er seit einer Stunde den östlichen Kurs hielt, um in die Nähe des Nils zu gelangen, erreichte er eine alte Karawanenstraße, die eine helle Spur durch das Grau der Landschaft zog. Es war auch nicht mehr weit bis zu den ersten Ansiedlungen. Bevor er sie erreichte, füllte er Benzin aus den beiden Reservekanistern nach. Einen dritten ließ er noch voll.
    Am frühen Morgen erreichte Ramir Ghur einen verlassenen Wüstenort. Keine Oase, aber nahe der fruchtbaren Uferregion des Nils, wo das Land bebaut werden konnte.
    Er fuhr über Bewässerungskanäle hinweg. Primitive Bohlenbrücken erlaubten ihm dies.
    Daß es in diesem Ort eine Herberge gab, war ihm auch bekannt.
    Auf der Hinfahrt hatte er sich schon angemeldet. Der alte Mann sah den Wagen von weitem kommen und stellte sich vor die Tür.
    Ramir winkte ihm zu. Er lenkte den Geländewagen auf den Hof, den helle Mauern vor einer Außeneinsicht schützten.
    Der Alte war ihm gefolgt. »Dein Zimmer ist freigehalten worden«, erklärte er.
    Ramir nickte. Mit steifen Gliedern kletterte er aus dem Wagen und reckte sich.
    »Es war eine lange Fahrt, wie?«
    »Ja.«
    »Jetzt bist du erschöpft.«
    »Sicher, ich will schlafen, aber mich zuvor waschen und…«
    »Ich lasse dir Wasser hochbringen.«
    »Danke.«
    Der Alte verschwand. Das hatte Ramir nur gewollt. Er schaute noch einmal hoch zum Himmel, der eine blaue Farbe zeigte und von keiner Wolke

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