0525 - Tödliche Fotos
Er hatte Glück und fiel über die Lehne eines Sessels, die seinen schweren Fall bremste.
Zwischen Al Beli und mir gab es bestimmt keine Gemeinsamkeiten. Jetzt allerdings starrten wir wie gebannt auf den Rücken des Mannes. Aus ihm ragte der Schaft eines Messers.
Irgend jemand hatte es durch den Spalt im Vorhang geschleudert!
***
Weder Al Beli noch ich sprachen ein Wort. Ich hörte nur meinen eigenen Atem überlaut und vernahm die stöhnenden Geräusche, die Al Beli von sich gab.
Dann drehte er mir seinen Kopf zu. »Da«, sagte er. »Du hast es gewußt, daß…«
»Nichts habe ich gewußt!«
Er zerrte meine Beretta hervor und richtete die Mündung auf mich. »Du hast Zeit gewinnen wollen, damit deine Schergen ihn töten konnten. Das ist dein Spiel gewesen.«
»Glaubst du wirklich, daß ein Polizist so handeln könnte?« fragte ich ihn. »Glaubst du das?«
»Wenn nichts mehr hilft, bestimmt!«
»Ich habe nichts getan!« erklärte ich ihm. »Schau nach. Zieh den Vorhang zur Seite und schau nach.«
»Nein! Das machst du!«
»Bitte!«
»Aber keine Tricks. Ich drücke sofort ab, wenn ich etwas merke.«
»Natürlich.«
Daß Al Beli nervös war, konnte ich mir vorstellen. Ich war zwar gerettet worden, nur wer steckte dahinter? Kein Kollege, kein Polizist, hier gab es noch eine gefährliche dritte Kraft, mit der auch Al Beli nicht zurechtkam.
»Geh schneller!« Er kam so dicht an mich heran, daß er mir die Mündung der Beretta ins Kreuz stoßen konnte.
»Ich kann nicht schneller. Der Drink war zu stark.« Jedesmal, wenn ich den Fuß oder den Arm bewegte, hatte ich das Gefühl, mit den Gliedern wegfliegen zu können.
Den Toten passierte ich mit unsicheren Schritten, und mein Blick fiel direkt auf den Vorhang.
Die Falten waren fein säuberlich voneinander getrennt. Für mich aber sah er so aus wie eine glatte Fläche. Ich streckte beide Arme vor, verkrallte die Hände in die vorstehenden Falten und schaffte es, mich so festzuhalten. Dann tastete ich weiter, weil ich den Durchschlupf suchte.
»Er ist links von dir, Sinclair! Bist du eigentlich blind, verdammt?«
»Ja, ja, schon gut…«
Es war mir wirklich nicht aufgefallen. Für mich war der Vorhang ein wallendes Meer, in das ich nur hineinzufassen brauchte.
Dann erwischte ich das Ende, zog es nach rechts und vergrößerte den Spalt so weit, daß ich hindurchtreten konnte.
Al Beli hatte mich gewissermaßen als Kugel- oder Messerfänger vorgeschickt.
Es passierte nichts. Ich stand in der Vorhanglücke, ohne daß mich jemand angegriffen hätte.
Mein Blick fiel in einen Teil des Ateliers, auf eine Bühne, wo als Dekoration eine große, gelbe Sonne auf eine Leinwand gemalt worden war. Davor hatte jemand feinen Sand hingekippt. Ein Modell sollte eine Strandszene nachspielen.
Die Bühne war leer.
Überhaupt sah ich keinen der Mitarbeiter des Starfotografen. Wir befanden uns allein in der Halle, jedenfalls deutete die Stille darauf hin. Al Beli war dies ebenfalls nicht geheuer. Ich hörte ihn flüstern, verstand seine Worte allerdings nicht. Bis er mir wieder die Mündung in den Rücken drückte. »Geh weiter, Sinclair!«
»Hier ist niemand mehr«, sagte ich.
»Doch, einer muß noch da sein. Der Killer!«
»Ich sehe ihn nicht…«
»Geh!«
Ich ging vor. Meine Schritte wirkten unsicher. Fast wäre ich über die eigenen Beine gestolpert. Im Nacken spürte ich das widerliche Ziehen. Auch auf meiner Brust lag ein harter Druck.
Vor der Dekoration blieb ich stehen. Zwei Standscheinwerfer strahlten die Szene aus verschiedenen Richtungen an. Die Kegel trafen sich auf der Bühnenmitte. Der feine Sand glitzerte, als hätte jemand Glaskrümel hineingestreut.
»Du, Sinclair, wirst den Killer suchen!« hörte ich hinter mir Al Beli flüstern.
»Wieso ich?«
»Weil es deine Aufgabe als Polizist ist – oder nicht?«
»Sicher.«
»Dann hol ihn dir und schaff ihn her!«
»Ich könnte verschwinden!«
»Nein, das wirst du nicht. Ich behalte dich unter Kontrolle. Ich bleibe in deiner Nähe.«
»Okay!«
Ich wartete noch ab und lauschte. Al Beli bewegte sich. Er ging rechts an mir vorbei. Dabei zeigte die Mündung der Beretta auf meinen Körper.
Plötzlich war er weg. Verschwunden hinter einer künstlichen Wand, durch die er sicherlich schauen konnte.
Der Schweißausbruch traf mich wieder. Im Magen breitete sich abermals das würgende Gefühl aus. Ich kam mir so verdammt verloren vor und sollte ausgerechnet in diesem Zustand einen gefährlichen Killer fangen.
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