0526 - Der unheimliche Templer
es auch an dem genossenen Wein, daß sie so dachte. Er hatte es in sich gehabt, war etwas zu kräftig oder stark gewesen und hatte ihren Kreislauf angetörnt. Durch ihn begann sie zu schweben, er gaukelte ihr Dinge vor, die es nicht gab, wie Rauschgift wirkte er auf sie.
Das Schweben bekam sie ebenfalls mit.
Es war so sanft, so locker, ein Dahingleiten in unbekannte Ozeane, wo das Wasser eine nie gekannte Farbenpracht aufwies und sie in einen gewaltigen Strudel riß.
Es war einfach nicht zu beschreiben. Dieses Gefühl hatte sie noch nie erlebt.
Simone räkelte sich wie eine zufriedene Katze. Sie spürte die kühle Bettwäsche, die wie Seide über ihre Haut glitt und bei ihr ein erotisierendes Gefühl auslöste.
Im nachhinein war sie sehr dankbar dafür, daß sie mit in das Schloß gegangen war, auch wenn ihr dieser van Akkeren mehr als unheimlich vorgekommen war.
Ein Mensch, der als Gesicht eine Maske trug, hinter der er seine Gedanken, Wünsche und sein Wissen verbarg. Ja, er wußte mehr, das sah auch Simone ein. Dieses angeblich unbewohnte Schloß mußte ein Geheimnis besitzen, nur wußte sie nicht, um was es sich handelte. Natürlich, sie hatte als Kind viel über Schlösser und Burgen gelesen, das war mehr in den Märchen geschehen, wo Prinzen und Prinzessinnen um die Gunst anderer freiten. Sie hatte diese Personen stets bewundert, nicht nur wegen ihres Lebens, auch wegen ihrer Kleidung und der Schönheit.
Ein Rausch überkam Simone Dufour. Sie hatte plötzlich das Gefühl, in einen Trichter hineinzutauchen. Er riß sie mit, er schleuderte sie hoch, er spie sie aus, er zeigte ihr eine andere Welt, und sie merkte kaum, daß sie sich von der Seite her auf den Rücken wälzte und mit großen Augen in die Höhe starrte.
Dort befand sich der Baldachin, und dort genau sah sie das Schreckliche.
Ein Gesicht!
Nein, eine Fratze. Aus einem weichen Dreieck bestehend, mit einer breiten Stirn, aus der dicht an den Rändern lange, leicht gekrümmte Hörner wuchsen. Ein flatterhafter Wattebart umwehte das Kinn, die Haut war dunkel, die Augen leuchteten in einem tiefen Rot, wie Karfunkelsteine oder roter Granat. Man konnte sie nicht mit normalen Pupillen vergleichen, weil sie eher aussahen wie Diamanten, die einen bestimmten Schliff bekommen hatten.
Ein Gesicht ohne Körper, ein breiter Mund, der ihr ein wissendes Grinsen entgegenschickte und gleichzeitig etwas abstrahlte, das sie nur als Grauen bezeichnen konnte.
Eine schlimme Aura traf sie und hinterließ bei ihr eine dichte Gänsehaut.
Die Angst drückte auf ihr Gemüt. Es war irgendwie nicht begreifbar, wie sie plötzlich vom Himmel in die Hölle fallen konnte. Ohne fließenden Übergang, die Extreme waren einfach zu stark, als daß sie von ihr nervlich verkraftet werden konnten.
Deshalb lag Simone still und gleichzeitig eingebettet in ihre ungemein starke Angst.
In den von ihr so verehrten Märchen bekam die Prinzessin zum Schluß ihren Prinzen, hier würde es anders sein. Diese Gestalt war kein Prinz, das war der reinste Horror, eine Ausgeburt des Teufels.
Wie lange dieser Schreck und Schock gedauert hatte, konnte sie nicht sagen. Simone war das Gefühl für Zeit verlorengegangen. Sie lag auf dem Rücken, dachte an nichts, sah nur dieses Gesicht, dessen Mund das Grinsen zu einem Maul verbreiterte, aus dem eine grüngraue Rauchwolke hervorquoll und sich auf die liegende Simone zu bewegte, um sie zu umschmeicheln.
Sie atmete den Dampf aus der Hölle ein, der nach Schwefel und Moder schmeckte.
Dieser Qualm raubte ihr den Atem. Simone wußte genau, daß sie etwas tun mußte. Sie konnte dieser Klemme sonst nicht entwischen, sie mußte weg, raus…
Wie sie es schaffte, sich auf die Seite zu wälzen und sich dabei mehrmals zu überdrehen, war ihr auch dann noch unklar, als sie aus dem Bett fiel, daneben auf dem weichen Teppich landete, dort liegenblieb und feststellte, daß sie sich nichts gebrochen hatte.
Sie lag auf dem Bauch, den Kopf hatte sie so gedreht, daß ihr Gesicht nicht im Flausch des Teppichs verschwand und sie noch atmen konnte. Sekunden vergingen. Simone zitterte plötzlich. Manchmal schluchzte sie auf wie ein kleines Kind, wenn sie wieder die verfluchte Erinnerung überkam.
Es kostete sie Kraft und Überwindung, sich zu bewegen. Die Arme hatte sie angewinkelt, ihre Handteller waren fest gegen den weichen Teppich gestemmt, und so schaffte sie es auch, sich langsam in die Höhe zu drücken.
Schwankend blieb sie stehen, schaute zurück zum Bett,
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