0526 - Der unheimliche Templer
Blick hatte sich nicht verändert. Er war nach wie vor starr auf Simone Dufour gerichtet, die ihren Schock auch jetzt nicht verdaut hatte.
Mit dem rechten Fuß zuerst berührte er den Boden vor dem Bild.
Dann hob er den linken an. Nur mehr Sekunden, dann würde er das Gemälde ganz verlassen haben.
In diesem Augenblick löste sich bei Simone die Sperre. Sie streckte der Gestalt ihre Arme entgegen, ohne sie jedoch berühren zu können. Sie flüsterte nur: »Weg… geht doch weg … bitte, du mußt weggehen … was willst du von mir …?«
Ariol Le Duc dachte nicht im Traum daran, auch wenn er die Worte verstanden hatte.
Er ging weiter.
Und mit ihm kam sein Messer.
Eine graue, beinahe schon stumpf wirkende Klinge, doch daran wollte Simone einfach nicht glauben. Wenn sie von dieser Waffe erwischt wurde, war es aus mit ihr.
Aus und vorbei…
Wohin sollte sie? Nach unten laufen? Oder wieder zurück und sich im Zimmer verkriechen?
Er würde sie überall erwischen und umbringen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, daß er schnell war, wenn es sein mußte.
Simone Dufour hatte einfach zu lange überlegt. Plötzlich war er da und auch über ihr.
Sie spürte seine linke Hand wie eine Klammer auf ihrer Schulter.
Dieses Gewicht drückte sie gegen die Wand.
Der rechte Arm Le Ducs fuhr hoch. Das Messer machte die Bewegung mit.
Und ebenso die nach unten.
Dreimal, wie ein tödlicher Tanz.
Davon jedoch spürte Simone Dufour glücklicherweise nichts mehr. Sie befand sich schon in einem anderen Reich…
***
Vincent van Akkeren hatte sich große Mühe gegeben. Er persönlich trug die Verantwortung für den perfekt gedeckten Tisch, auf dem die weiße Decke lag und das alte Porzellan hervorragend mit dem geschliffenen Kristall der Gläser harmonierte.
In der Zwischenzeit waren seine drei Gäste auf die ihnen zugewiesenen Zimmer gegangen, um sich etwas auszuruhen. Van Akkeren, dieser Teufel, wollte nur mit ausgeruhten Menschen speisen.
Anschließend würde er mit ihnen spielen.
Sein Spiel machen.
Er dachte natürlich sofort an die Kamera. Sie sammelte die Seelen, die dann dem Teufel übergeben wurden. Drei Seelen standen auf seiner Liste. Und er dachte auch daran, wie er in Cerbac eingefallen war und die Menschen ihn als den Leibhaftigen angesehen hatten und fluchtartig den Ort verließen.
Jeden von ihnen hatte er fotografiert. Es war sein Reservoir für die Hölle.
Noch einmal umrundete er den Tisch, um nachzuschauen, ob er korrekt gedeckt worden war. Nickend dokumentierte van Akkeren seine Zufriedenheit. Da konnte sich niemand beschweren.
Außerdem würde sich das auch keiner erlauben.
Er schaute auf die Uhr.
Die Zeit, die er den drei Gästen gegeben hatte, war fast abgelaufen. Wenn sie pünktlich waren, würden sie in knapp fünf Minuten in der Halle erscheinen.
Er hatte vor, ihnen ein regelrechtes Menü zu bieten. Vorsuppe, Hauptgericht, danach das Dessert. In der alten Küche hatte er alles zubereitet.
Die Suppe war sehr heiß. Sie hatte noch vor einer halben Minute gekocht. Eine Gemüsesuppe, sehr kräftig, weil sie mit einer doppelten Rinderkraftbrühe unterlegt worden war.
Sie roch gut, als van Akkeren den Deckel abhob, um den Topf anschließend auf den Servierwagen zu stellen. Der wurde in die Halle gerollt, wo serviert wurde.
Er tat es perfekt wie ein gelernter Ober und hatte die Küche kaum verlassen, als er stehenblieb, denn zwei seiner Gäste warteten bereits in der Halle.
Sie standen nahe der Treppe, hielten sich an den Händen gefaßt und wirkten ein wenig unsicher sowie verlegen.
Van Akkeren lächelte strahlend. Ja, auch das konnte er. »Arlette und Marcel, ich freue mich, daß ihr beide meiner Einladung gefolgt seid. Bitte, nehmt doch Platz!«
»Ja, danke«, sagte Marcel Wächter.
Im Gegensatz zu ihm schwieg sich Arlette aus. Sie fühlte sich sehr unsicher. Um ihre Lippen zuckte es, als sie versuchte, ein wenig zu lächeln.
Mit zögernden Schritten schlugen sie den Bogen, um sich der Tafel zu nähern.
Van Akkeren machte es perfekt. Auch wenn seine beiden Gäste nicht die richtige Kleidung für ein elegantes Dinner trugen, so zeigte er ihnen jedoch, daß er sie behandelte wie Herrschaften. Er rückte Arlette den Stuhl so zurecht, damit sie bequem ihren Platz einnehmen konnte.
Sie bedankte sich mit einem Nicken und einem gleichzeitig verlegen wirkenden Lächeln.
»Was sind Sie so scheu, Arlette?«
»Ich… ich … das ist alles eben zu ungewöhnlich. So etwas habe ich noch nie
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