0526 - Der unheimliche Templer
wobei sie den Kopf so drehte, daß sie gegen den Baldachin blickte.
Die Fratze war verschwunden. Es drängte auch kein Qualm mehr in die Tiefe, alles war wieder so normal, als hätte es das schreckliche Gesicht nie zuvor gegeben.
Simone lachte auf. Es war ein freudloses, schon leicht krächzendes Lachen. Es war ihr gelungen, den Alptraum zu vertreiben. Obwohl im Raum kein Kaminfeuer brannte, spürte sie den Schweiß auf ihrem Körper. Er klebte in den Poren, hatte sie zugesetzt wie mit einer dicken Schicht, und sie ekelte sich direkt vor dem säuerlichen Geruch, den sie ausströmte.
Luft, frische Luft wollte sie tanken, ging zum Fenster, spürte dabei die Schwäche in den Beinen, stützte sich auf dem Weg zum Ziel ab und faßte nach dem Riegel, um ihn zurückzudrehen.
Es ging nicht.
Zuerst glaubte sie, einfach zu schwach zu sein, deshalb setzte sie mehr Kraft ein.
Auch das reichte nicht.
Das Fenster blieb geschlossen, es war, wenn sie so wollte, einfach verschlossen.
Simone beugte sich vor und drückte ihre Hände gegen das Glas der Scheibe.
Draußen wurde es allmählich dunkel. Auch das Zimmer verschwamm im Dämmerlicht. Sie sah die Wipfel der Bäume, wie sie sich zitternd im Wind bewegten. Sie sah auch die dunklen Wolkenberge wie ein gewaltiges Meer über den Himmel fließen.
Ein wildes Bild, Natur, die sich nicht bremsen ließ, die Böses und Gutes vereinigte.
Simone schüttelte den Kopf über sich selbst. Nie zuvor hatte sie ähnliche Gedanken gehabt. Jetzt überschwemmte sie dieser Vergleich. Noch immer die Fensterbank berührend, drehte sie sich um und schaute in das Zimmer hinein, das während der letzten Minuten ein anderes Aussehen bekommen hatte.
Bei ihrem Eintritt hatte sie die Möbelstücke noch sehr deutlich erkennen können.
Jetzt »schwamm« der Raum in einem anderen Flair. Mehr düster und geheimnisvoll. Da schien der Baldachin des Bettes die Decke zu berühren.
Alles war einfach anders geworden, es kam ihr fremd vor und auch feindlich.
Um ihre feuchten Lippen spielte ein Lächeln, als sie daran dachte.
Feindlich, das genau war der richtige Ausdruck. Eine feindliche Umgebung hielt sie fest.
Sie wußte eins: Wenn Feinde sie umgaben, obwohl sie für sie nicht sichtbar waren, mußte sie weg. Sie konnte nicht mehr bleiben.
Das Zimmer war für sie zu einer Falle geworden.
Also raus!
Die Tür war noch deutlich zu erkennen. Sie lief mit weichen Knien darauf zu, dabei hoffte sie, daß sie nicht verschlossen worden war. Simone jubelte fast auf, als sie die Klinke betätigte und in den breiten Gang treten konnte.
Geschafft!
Es war geschafft! Sie wollte es kaum glauben. Eine offene Tür, dahinter der Gang, der sie aufnehmen konnte und der nicht so düster war, denn jemand hatte die an verschiedenen Stellen verteilt stehenden Kerzen angezündet.
Mehrere Flammen gaben ihr flackerndes Licht ab. Sie schufen ein verwirrend anmutendes Wechselspiel aus rotgelbem Licht und Schatten, die sich durch nichts aufhalten ließen und an den Wänden ebenso hochkrochen wie über den Fußboden.
Simone wandte sich nach rechts, um die breite Treppe zu erreichen. Sie wollte zu den anderen, denn ihr war auch eingefallen, daß Vincent van Akkeren seine Gäste zum Dinner eingeladen hatte, das gemeinsam unten in der Halle eingenommen werden sollte.
Die hohen Leuchter mit den Kerzen standen auf der rechten Seite.
Einmal streifte Simone so dicht an den Flammen entlang, daß sie die Hitze spürte und Angst davor bekam, die Kleidung könnte Feuer fangen.
Links hingen die Bilder der Ahnen, von denen auch van Akkeren gesprochen hatte.
Wie sie bei Helligkeit aussahen, wußte Simone nicht zu sagen. Ihr kamen sie jedenfalls vor wie düstere Schattengemälde, über die nur hin und wieder ein heller Reflex strich.
Unheimlich und grauenhaft. Die Männer hatten verzerrte Gesichter. Ihre Bärte wirkten wie der Rest eines angekohlten Gesichts. Sie strömten Grausamkeit und Kälte aus, so daß sich Simone Dufour einfach davor fürchten mußte.
Sehr weit war es nicht bis zur Treppe. Dennoch kam ihr der Weg doppelt solange vor, weil sie einfach das Gefühl hatte, von jedem Gemälde beobachtet und aufgehalten zu werden.
Da flackerte das Licht sogar über die Augen und hauchte ihnen Leben ein.
Einfach schaurig…
Sie strich mit der Handfläche an der Wand entlang. Schweiß bedeckte ihr Gesicht. Aus der Halle hörte sie Geräusche. Schritte und das Klappern von Geschirr.
Man deckte den Tisch…
Sie aber ging weiter, und
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