0526 - Der unheimliche Templer
Es war wesentlich kleiner, erinnerte mehr an eine Hütte.
Auch dort fand ich ein Foto.
Grausam vom Motiv her, gestochen scharf, so daß jedes Detail zu erkennen war.
Der Klumpen in meinem Magen wuchs an. Er wurde noch größer, als ich die nächsten Häuser betrat, sie durchsuchte und abermals auf die entsprechenden Aufnahmen stieß.
Die Stille zwischen den Mauern und Wänden war für mich wie eine Klammer. Sie hielt mich fest, sie griff nach mir, und ich hatte das Gefühl, als würde sie atmen.
»John…« Sukos Ruf wehte über die Straße. Ich verließ geduckt eines der Häuser und sah meinen Freund am Rand einer kleinen Mauer stehen, die eine Gasseneinmündung begrenzte.
»Was ist denn?«
»Komm her, bitte.«
Ich war schnell bei ihm. Er führte mich durch einen winterlich tristen Kleingarten zu einem Anbau an der Rückseite eines normalen Wohnhauses. Dort war die Tür nur angelehnt.
»Ich habe einen Menschen gefunden. Bitte, du kannst vorgehen.«
Ich hatte schon draußen den Geruch von Holz wahrgenommen, der drinnen noch intensiver war.
Es war eine Schreinerei, in der wir standen. Außerdem wurden hier die Särge hergestellt.
Suko hatte zwar einen Menschen entdeckt, nur lebte der nicht. Er war bereits eingesargt worden, der Schreiner hatte nur noch nicht den Deckel auf das Unterteil gesetzt. Durch ein schmales Fenster an der Breitseite sickerte Licht. Es erreichte auch das Gesicht des Toten und ließ die erstarrten Züge noch wächserner erscheinen, als sie es ohnehin schon waren.
In seinem schlichten Totenhemd wirkte die männliche Gestalt noch schmaler, als sie es ohnehin schon war. Wenn ich schätzen sollte, würde ich sagen, daß er zumindest sein achtzigstes Lebensjahr erreicht hatte, bevor der Sensenmann ihn aus dem Leben riß.
»Sie haben alles liegen- und stehengelassen«, flüsterte ich. »Sogar der Einsarger hat mitten in der Arbeit aufgehört.« Ich schüttelte den Kopf. »Was ist hier genau passiert?«
»Van Akkeren.«
»Hat er die Leute vertrieben?« Ich schaute Suko skeptisch an.
»Hat er ihnen das gesagt? – So, jetzt bin ich hier, und ihr müßt verschwinden. Verdammt, ich kann es nicht glauben.«
»Sie müssen geflohen sein, nachdem sie die Fotos sahen«, erklärte mein Freund.
»Und van Akkeren hat es geschafft, sie einzeln aufzunehmen?«
»Das sehe ich so.«
Schulterhebend drehte ich mich um. »Ich weiß nicht, Suko«, sagte ich beim Verlassen der Werkstatt, »das will mir alles nicht so recht in den Sinn. Ich habe allmählich das Gefühl, vor einer Tür zu stehen, hinter der eine gewaltige Sache abläuft, die in ihrem Grunde ursächlich mit den Tempelrittern zusammenhängt.«
»Da kannst du recht haben, nur stoße die Tür mal auf. Erst dann kannst du mehr sagen:«
»So ist es.«
Es war dunkler geworden. Nicht daß schon die Dämmerung hereingebrochen wäre, die Wolkendecke verdichtete sich zusehends und entließ die feinen, weißen Kristalle Schnee, der liegenbleiben würde. Das weiße »Leichentuch« begrub alles unter sich.
»Gehen wir weiter«, schlug ich vor.
»Willst du noch immer jedes Haus durchsuchen?«
»Ja.«
»Meinetwegen.«
Ich warf einen Blick zurück. »Du wärst lieber hoch zum Schloß gefahren, wie?«
»Wenn du mich so fragst, ja.«
Ich blickte in die Richtung, wo das Schloß liegen mußte, sah dort nichts. Der dichte Wald nahm mir die Sicht. »Irgendwo wird der Weg schon zu finden sein.«
»Wie wäre es denn mit der kleinen Kirche?« fragte Suko. »Wir könnten dort auch nachschauen.«
Ich schnippte mit den Fingern. »Die Idee ist nicht schlecht.« Oft genug hatten wir erlebt, daß gerade eine Kirche zu einem Zufluchtsort für ängstliche Menschen geworden war.
Sie lag nicht weit entfernt. Der Kirchplatz war von einer unregelmäßig hohen Steinmauer umgeben. Vor dem kleinen Gotteshaus standen zwei alte Eichen.
Zwischen ihnen fanden wir unseren Weg, standen sehr bald schon vor der Tür – und schraken beide zurück.
Zugleich hatten wir das Kreuz gesehen, dessen Umrisse pechschwarz in das Holz der Tür eingebrannt worden waren.
Die Umrisse eines Templerkreuzes, das Ähnlichkeit mit einem vierblättrigen Kleeblatt aufwies, nur an den Ecken nicht rund, sondern kantig war. Das alles hätten wir in Kauf genommen. Doch in der Mitte des Kreuzes zeichnete sich eine Fratze ab. Es war die Fratze Baphomeths!
***
Ich war wütend und hätte am liebsten mit der Faust dagegengeschlagen. Nur mühsam hielt ich mich zurück, dachte gleichzeitig an einen
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