053 - Der Brigant
Chauffeur vollständig vergißt. Eine Liebe verdrängt die andere. Jetzt ist aur noch die Frage, ob Ihre Ausdrucksweise auch genügend romantisch und blumenreich ist?«
»Ach, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, erwiderte Anthony. »Ich habe einen wunderbaren Stil. Soll ich die Briefe mit meinem eigenen Namen unterzeichnen?«
Mr. Tanker zuckte die Schultern.
»Ein Anfangsbuchstabe würde genügen, aber das können Sie machen, wie Sie wollen. Ich möchte jedoch nicht, daß das junge Mädchen sich nun tatsächlich in Sie verliebt, Mr. Newton. Sie ist die Erbin eines großen Vermögens, das würde heillose Verwicklungen geben. Ich verlange von Ihnen, daß Sie die Dame nicht ohne mein Vorwissen treffen und daß Sie alle Briefe durch meine Hände gehen lassen.«
»Ich will mir die Sache noch überlegen«, meinte Anthony.
Aber noch am selben Abend schrieb er an die Firma Tanker und legte einen Probeliebesbrief bei, der alle Wirkungen beschrieb, die der erste Anblick ihres Blumengesichts in ihm hervorgerufen hatte. Er schilderte mit einer solchen Genauigkeit, wie sein Herz darauf reagierte, wie wild es schlug, wie seine Pulse bebten und flogen, daß ein begeisterter Medizinstudent nach seiner ersten klinischen Erfahrung es nicht besser hätte machen können. Er schrieb davon, wie sein Kopf schwirrte und wie die ganze Welt plötzlich dreimal schöner erschien, und er sprach von den Erinnerungen, die er nun in seine einsame Wohnung mitgenommen hatte, und von dem kleinen Blatt, das er aufgehoben hatte, nachdem ihre Elfenfüße über den Rasen gewandelt waren.
Das Antwortschreiben kam sehr prompt und enthielt eine Zwanzigpfundnote. Später am Morgen klingelte Mr. Tanker Anthony an.
»Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht, bitte, fahren Sie nur so fort. Aber der zweite Brief müßte ein bißchen leidenschaftlicher sein. Sie wissen schon, was ich meine? Dann zu der Sache: Blatt und Rasen. Die Dame geht stets nur auf geebneten Wegen, meistens auf Asphalt. Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, daß ich Ihnen diesen kleinen Fingerzeig gebe?«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Wird mir die Dame auch schreiben?«
»Das ist möglich«, entgegnete Mr. Tanker diplomatisch.
»Wenn irgendwelche Briefe bei mir einlaufen, werde ich sie Ihnen sofort zusenden.«
Die Antwort auf seinen Brief kam denn auch zwei Tage später.
Sie war begeistert und ekstatisch, und Anthony sah daraus, daß die Erinnerung an den Chauffeur längst aus ihrem Gedächtnis verschwunden war und sie sich danach sehnte, ihren unbekannten Liebhaber zu sehen. Sie fragte auch an, ob er jemals in Baden-Baden oder in Aix gewesen sei.
Anthony suchte in seiner Pension nach Kursbüchern und Reiseführern, um die Kosten eines solchen Aufenthaltes wenigstens ungefähr berechnen zu können. Er schrieb wieder, und der zweite Brief war schon zehn Seiten lang. Als er von Tanker wiederum zwanzig Pfund erhielt, dachte er, daß es eigentlich eine Schande sei, das Geld anzunehmen. Der dritte Brief folgte am nächsten Sonntag. Er schrieb darin von den Wundern der Natur, von Sternen, vom Mond und vom Himmel, von Lilien, Wolken, Rosen, duftdurchglühten Nächten, von Seen, von zarten, schmeichelnden Winden, von Träumen, von Visionen und von Baden-Baden. Schon innerhalb vierundzwanzig Stunden hatte er die Antwort in der Hand. Das junge Mädchen erzählte ihm nun von Hunden, von Kleidern, von Geistlichen, von Liebe, von Motorrädern, vom Firmament und von Lockenwicklern, vom Tod und von kastanienbraunen Handschuhen.
Anthony war ganz hingerissen, als er das alles las. Und ohne an seine Belohnung zu denken, setzte er sich die halbe Nacht hin und beantwortete das Schreiben. Er hörte erst auf, als er kein Briefpapier mehr hatte. Am nächsten Morgen sandte er den Brief an Tanker. Der Portier, der das Kuvert in der Hand wog, meinte, es wäre doch wohl billiger, wenn man es mit der Paketpost schickte.
Der Tag ging zu langsam hin, und der Morgen brachte seiner von Sehnsucht gequälten Seele keine Linderung. Er liebte sie schon, diese kleine Herzogin. Ihr Name war Phyllis, Lady Phyllis Blank. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und träumte von ihr, von ihren tiefen, blauen, durchsichtigen, ernsten und klaren Augen. Er überlegte sich, ob sie wohl Milanese-Strümpfe trüge. Er wußte, daß sie klein und zierlich von Gestalt war und eine elfenbeinfarbene Haut besaß. Natürlich konnte sie auch singen und musizieren. Er stellte sie sich vor in einem dunklen
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