053 - Der Gast aus dem Totenreich
attackieren, weil sich dort der Talisman befand; deshalb versuchte sie, sich in Dorians Unterleib zu verbeißen. Hart schlugen ihre Krallen in seine Beine.
Er packte sie und stieß sie von sich. Sie torkelte mit rudernden Armen bis zur eisernen Jungfrau. Der Deckel stand noch offen. Sie prallte gegen das Hinterteil. Ihr hässliches Gesicht verzerrte sich noch mehr. Speichel schoss aus dem aufgerissenen Maul.
Polternd kippte die eiserne Jungfrau um. Der Deckel klappte zu und entzog die Besessene Dorian Hunters Blicken. Er vernahm noch einen gurgelnden Laut, dann war es still. Blut sickerte unter dem Folterinstrument hervor.
Dorian eilte aus der Teufelskapelle. Er hatte den magischen Bann abgeschüttelt, konnte sich wieder frei bewegen.
Im Gang hörte er, dass die Violinmusik lauter und lauter wurde. Die Melodie war jetzt nicht mehr harmonisch, sondern schrill und dissonant.
Sie kommen , dachte Dorian.
Er erreichte die Tür am Ende der Kellertreppe. Vorsichtig lugte er durch den Spalt und schlüpfte ins Foyer. Ihm blieb gerade noch die Zeit, sich zu verstecken. Er entdeckte einen Vorhang; dahinter verbarg sich ein Alkoven.
Dorian blieb steif in dem Alkoven stehen und hielt die Luft an. Wenn die gesamte unheimliche Schar aus dem Saal erschien, hatte er kaum eine Chance. Wieder musste er flüchten, wie in der vergangenen Nacht.
Eine Gestalt nahte. Es war der Maestro Marco Bertini: Er machte große Schritte, und gleichzeitig spielte er eine irrsinnige Komposition. Sein Gesicht war starr – wegen der Gummimaske.
Niemand befand sich in seinem Gefolge. Dorian spielte mit dem Gedanken, hervorzutreten und dem Mann die Maske vom Gesicht zu reißen, aber er verwarf den Gedanken wieder. Dies war nicht der rechte Augenblick für ein derartiges Unternehmen. Außerdem wartete Caterina auf ihn. Es war seine Pflicht, sie in Sicherheit zu bringen.
Der Maestro trat an die Kellertür, stieß sie mit dem Ellbogen der Linken auf und verschwand in dem düsteren Rechteck der Öffnung.
Dorian nutzte die Gelegenheit und schlich zur Eingangstür. Diesmal hatte er mehr Glück als bei seinem ersten Besuch in der Villa. Die Tür schwang nach innen auf.
Dorian pirschte hinaus und ließ die Tür ins Schloss gleiten. Nur ein leises metallisches Schnappen war zu hören.
Er brachte die Treppenstufen hinter sich. Danach beschleunigte er seinen Schritt. Er lief am algenüberwucherten Zierteich vorüber auf ein dichtes Oleandergebüsch zu. Die Zweige und Blätter schlugen hinter ihm zusammen.
Da hörte er Geräusche. Die Eingangstür der Villa wurde aufgerissen. Stimmen schnatterten durcheinander.
Dorian duckte sich.
Gäste verabschiedeten sich mit übertriebenen Verbeugungen von Signora Laura Bertini. Unter ihnen erkannte der Dämonenkiller auch den Gnom und den mysteriösen Hutträger. Es waren größtenteils männliche Besessene, die nun auf den Zierteich zustrebten und den Park durchqueren wollten.
Dorian warf einen letzten Blick auf das erhellte Foyer. Er sah die zwölf schwarz gekleideten Furien, die ihm in der letzten Nacht zugesetzt hatten. Laura Bertini war eine von ihnen. Die anderen hatten sich auf rätselhafte Weise zu ihr gesellt. Sie blieben bei dem Maestro in der Villa zurück. Gleich würden sie ihre tote Genossin entdecken. Dorian hätte gern ihre Mienen gesehen, wenn sie bemerkten, dass ihr Opfer Caterina nicht ins Netz gegangen, dass auch Dorian fort war und stattdessen eine ausblutende Besessene in der eisernen Jungfrau eingeklemmt lag. Doch er hatte keine Zeit.
Dorian hastete durch den Park, und zwar über den Schleichweg, den er durch Sergio Venturini kennen gelernt hatte. Rasch gelangte er an die Seitenpforte, rannte an der hohen Mauer entlang und sah die geparkten Autos schon vor sich.
Caterina hockte kerzengerade auf dem Beifahrerplatz des Alfa Duetto. Dorian setzte sich hinters Lenkrad. Der Schlüssel steckte.
Er startete und sagte: »Wir haben es geschafft, Caterina. Vor allem du hast eine gehörige Portion Glück gehabt. Weißt du das?«
»Ja, Herr«, antwortete sie stereotyp.
Dorian hätte sich in diesem Augenblick am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst. Wie konnte er vergessen, dass er sie hypnotisiert hatte!
Er fuhr an. Ohne Licht lenkte er den Wagen die Privatstraße hinab.
Bevor oben die ersten Besessenen aus dem Tor traten, hatten sie schon die Via Aurelia Antica erreicht. Von den Gästen der gespenstischen Soiree war nichts mehr zu befürchten.
Dorian hielt es für das Beste, das blonde
Weitere Kostenlose Bücher